Nowgorod ist ein kleines unbedeutendes Nest in Nordpolen am südlichen Ende der Masuren und unser heutiges Tagesziel.
Wenn man schon mal in den Masuren ist, muss man auch unbedingt baden gehen. Bartek erzählte uns am Vorabend am Lagerfeuer von dem kleinen See, keine 300 m vom Campingplatz entfernt, in dem er jeden Morgen seine runden schwimmt. Also als erstes ab in den See. Herrlich.19 Grad hat das Wasser. Angenehm Erfrischt, starte ich so in den Tag.
Das einzige Problem an diesem sonst so wunderschönen Morgen sind die tausenden von Mücken. Es ist zum verrückt werden. Da hilft nicht mal mehr Autan. Sobald ich mich nicht bewege, sind sofort 20 Mücken auf meiner Hand. Es ist Wahnsinn. Das Frühstück schmeckt trotzdem und so beeilen wir uns, um die Mücken möglichst schnell hinter uns zu bringen.
Heute hat Martin beschlossen allein zu fahren. Wir wollen nach Rastenburg, die Wolfschanze anschauen, die Martin schon kennt. Er bleibt noch ein wenig und will dann später direkt nach Nowgorod fahren.
Wir fahren also nach Rastenburg, direkt durch die Masuren. An jeder Ecke entdecken wir kleine Seen, herrliche Wälder und wunderbare Straßen und für unsere Enduros auch schöne Feldwege. In Rastenburg entscheiden wir uns für einen schnellen Rundgang durch die Anlage. Martin hat uns seinen Reiseführer mitgegeben und so wissen wir Bescheid. Makaber an der ganzen Anlage ist, dass die Polen ein Geschäft daraus machen. Man kann auf Schießscheiben schießen und es gibt allerlei Souvenirs. Anschließend essen wir gleich noch zu Mittag.
Gleich der nächste Feldweg ist wieder besser als der vorhergehende. Wir fahren durch dichtes Sumpfgebiet. An diesem Tag sind wir bestimmt 30 km auf Sandpisten, Wald- und Feldwegen gefahren. Was immer besser klapp. langsam bekommen wir Erfahrung. Auch tiefe Sandwege bereiten nur noch kleine Probleme. Gegen 20 Uhr kommen wir in unserem Hotel an. Da es zwischendurch geregnet hat, sehen wir ganz schön schlimm aus und die Koffer kann man keinem Hotelportier antun. Wir lassen sie lieber am Motorrad. Martin kommt kurz nach uns an und so beziehen wir wieder ein Dreibettzimmer. Auf den ersten Blick macht das Hotel einen guten Eindruck, aber der täuscht. das Bad ist ganz schön siffig und ein Mülleimer fehlt völlig. Der Putz blättert von den Wänden und die Handtücher haben Löcher. Aber es soll ja nur für eine Nacht sein. Im Restaurant des Hotels sind wir zunächst skeptisch, ob der erste Eindruck bestehen bleiben würde, aber es ist alles bestens. Das Fleisch ist gut und auch das Bier schmeckt hervorragend. Wir lernen noch ein paar freundliche Polen kennen und feiern mit denen gemeinsam. Die Bar hatte längst geschlossen, als wir endlich ins Bett kamen. Dennis schlief schon fest, er war k.o. für den Tag. Martin und mir ging es am nächsten Tag so.
Gute Nacht!
Tag 5: Ein schwerer Schlag
Schön durch geschlafen. Von meinem Wecker werden die anderen eher wach als ich. Martin hat Probleme mit dem Königsberger Straßenlärm. Wir bekommen ein typisch russisches Frühstück, ein schleimiges, weißes und warmes Etwas, das entfernt an über Nacht gequollene Haferflocken erinnert, aufgetischt. Dazu gibt es Butter, Käse und Weißbrot. Das russische Mütterchen, dass ganz schön Haare auf den Zähnen hat und uns das Frühstück serviert, guckte nicht gerade freundlich über unsere Kaffeeanfrage und ob es denn Kalbasa (Wurst) gibt. Auf die Spitze treibe ich es, als ich für jeden die gleichen Spiegeleier bestelle, wie unser Nachbartisch. Am Ende passt aber alles und fast jeder verputzt artig seinen Haferschleim. Sollte es heute regnen, wissen wir, dass es an Dennis liegt.
Anschließend begutachten wir Martins Motorrad bei Licht und nüchtern. Leider ist doch mehr kaputt, als die in der Nacht festgestellten Schäden. Das Lenkerschloss ist verbogen. Allerdings deutet die Richtung, in der es verbogen ist, nicht auf den Sturz hin, sondern auf Fremdeinwirkung. Irgendeiner hat versucht, das Motorrad zu klauen, das steht nun fest. Aber wie weiter? Nach einigem Probieren können wir das Lenkerschloss wenigstens lösen. Nun die Frage: Polizei rufen? Ein kurzer Anruf bei Martins Versicherungsvertreter brachte Klarheit. Ja wir müssen. Zunächst müssen wir aber die Damen an der Rezeption überzeugen, die Polizei zu rufen. Sie sind der Meinung, dass Motorrad sei vom Sturm umgefallen. Die Polizei kommt tatsächlich nach einer Stunde Wartezeit. Zunächst erklären wir am Motorrad, was das Problem ist. Dann stellen Sie uns viele Fragen, die wir dank Google einigermaßen übersetzen können. Auch unsere Antworten und Fragen sind so für die Polizisten erkenntlich.Es lebe das Internet.
Die groß gewachsene Chefin der Polizisten im knackigen Minirock und Pumps mit dem immer strengen Gesicht, fragt uns immer wieder neue Sachen. Zwischenzeitlich tummeln sich einige Polizisten auf dem Parkplatz. Wir sitzen insgesamt 2 h in der Lobby, dann wird noch eine Dolmetscherin hinzugezogen, die die Dokumente für uns übersetzte. Endlich können wir uns umziehen und packen. Martin muss noch kurz mit zum Revier, aber das dauerte nicht allzu lang. Halb drei nachmittags starten wir endlich. Unsere geplante route müssen wir nun konsequent zusammen streichen. so fahren wir auf schnurgeraden Ausfallstraßen immer genau strich 70 und kommen aus dem Gähnen nicht mehr heraus. Schließlich entschließen wir uns doch, kleinere Straßen zu nehmen und dafür auch etwas später anzukommen. Die Ausreise aus Russland gestaltet sich relativ problemlos, aber 1 h dauert es auch, bis wir alle Stempel haben. Nun wollen wir nur noch zum Campingplatz. Martin ruft schon mal an und bestellt den Grill für den Abend. Wir besorgen noch Würstchen und der Abend ist gerettet.
Der Chef des Campingplatzes mitten in den polnischen Masuren, ein freundlicher alter Pole der gut deutsch sprach, heißt Bartek und ist ein sehr netter Gastgeber. Schnell entscheiden wir uns, die Zelte im Koffer zu lassen und nehmen dafür die kleinen Schlafnischen. Eine sehr gute Entscheidung. Kurze Zeit später sitzen wir am Lagerfeuer mit schwebendem Rost und genießen die Atmosphäre. Die Würstchen sind köstlich. Mit Bartek und seinen anderen Gästen sitzen wir bis spät in die Nacht am Feuer und sprechen über Gott und die Welt und die Natur. Bartek kann sehr gute Geschichten erzählen. Früh am Morgen schließen sich meine Äugelein und allein das Summen der Mücken war noch zu hören.
Tag 4: Endlich nach Russland
Heute nun geht es endlich los: Auf nach Russland. Die Grundlagen aus der 5. Klasse sitzen. „Menja sawut Uwe!“ Oder „kak tebja sawut?“ Danke Herr Kühnel. Wie immer relativ spät starten wir vom Campingplatz Elbląg. Vorher treffen wir noch einen alten Mann aus Deutschland, der in der Nähe des Campingplatzes geboren wurde. Er kann gut aus dem Nähkästchen plaudern und so verzögert sich die Abfahrt nocheinmal.
Ziemlich zügig fahren wir zur Grenze. Auf der polnischen Seite geht es relativ schnell. Ausweise kontrollieren, Motorrad anschauen und weiter. Dann auf russischer Seite wird es etwas langwieriger. Zunächst warten wir brav in einer Schlange mitten in der Sonne. Bei der eigentlichen Kontrolle ist dann zum Glück Schatten. Am ersten Schalter anstellen und warten. Mein freundliches Straswutje wird von der russischen Schönheit hinter der Scheibe komplett ignoriert. Die Gute hatte nur Augen für meine Papiere. Am zweiten Schalter reiche ich meinen Ausweis ohne Kommentar hinein, man lernt schließlich. Allerdings werde ich, diesmal von einem Herrn, relativ freundlich darauf hingewiesen, dass ich noch einen Einfuhrschein für mein Motorrad, A4, in zweifacher Ausfertigung auszufüllen habe. Dummerweise sind gerade alle Exemplare mit deutschen Erklärungen vergriffen. Und wir bekommen die mit kyrillischen Zeichen. Netterweise erklärt man uns schnell den doppelseitigen Zettel. „Hier njet, hier njet und hier njet, hier da und da ihren Namen, Reiseziel… “ zum Glück kennt Martin schon das Procedere und hat ein Bild mit der deutschen Beschreibung dabei. Beim Warten am Schalter kommt eine nette Mittvierzigerin in blauer camouflage Uniform. Sie plauderte ein wenig mit uns, wo wir herkommen, was wir mithaben. Ob wir Urlaub machen und ob wir mal bitte unseren Koffer öffnen können. Sehr nett kommt Sie schnell zum Punkt ihres Anliegen. Schaut mal hier rein und da rein und guckt in die diversen Beutel, aber natürlich ist alles in Ordnung. Zu guter Letzt kommt noch der Drogenspürhund zum Einsatz und beschnüffelt unsere Motorräder. Nach zwei Stunden in der sommerlichen Hitze ist alles überstanden und wir sind in der ehemaligen Sowjetunion. Die Straße ist sehr breit, die erlaubte Höchstgeschwindigkeit liegt außerhalb bei 70 km/h. Eine schnurgerade Straße mit wenigen Hügeln am Horizont, der Asphalt flimmert, es ist einfach gähnend langweiliges Fahren. Kurz biegen wir in Richtung Ostsee ab, da wir aber keine schöne Stelle zum Baden finden und wir noch etwas von Kaliningrad sehen wollen, fahren wir weiter. Hier und da grüßt bereits am Straßenrand ein altes Kriegerdenkmal. Meist viel Beton und heroisch dargestellte Sieger. Langsam kommen wir nach Königsberg. Der Verkehr wird langsam chaotisch.
Es gibt kaum Fahrspuren und jeder fährt irgendwie. Wer es eilig hat, machte einfach noch eine Fahrspur auf. Immer wieder sieht man Straßenbahngleise die 5 cm aus der Straße schauen. Langsam quälen wir uns durch den Stau. Ohne Navi würden wir das Hotel nie finden. In einem Magasin kaufen wir schnell noch einen Snack und was zu Trinken. Beim Verzehr auf der Straße werden wir von einem kleinen Mädchen bedrängt. Wir denken, sie will unsere Rubel aber sie will nur was von meiner leckeren Pepsi abhaben. Die Rubel nimmt sie trotzdem. Schließlich im Hotel, beziehen wir unser Dreibettzimmer und machen uns frisch. Mit dem Taxi geht es in die Stadt. Mittlerweile ist es doch schon ziemlich spät, weil natürlich niemand an die Zeitverschiebung denkt. So schauen wir, mit Martin als Reiseleiter, die Dom-Insel an, besuchen das Grab von Herrn Kant und schauen von weitem auf das berühmte Haus der Räte. Große Ausfallstraßen durchziehen die Stadt. An einer, dem Leninprospekt laufen wir eine Weile entlang. Der Verkehr ist auch zu später Stunde immer noch der Wahnsinn.
In einer schönen Kneipe lassen wir uns perfekte Steaks und Pivo schmecken. Natürlich dürfen zum Abschluss nicht die obligatorischen sto Gramm fehlen. Der Nachbartisch voll russischer Schönheiten lässt deutlich öfter als wir die Gläser klingen.
Nach Mitternacht lassen wir uns zurück zum Hotel chauffieren und müssen feststellen, dass Martins Motorrad umgefallen ist. Es sieht alles nach einem Umfallen durch Wind aus. Schnell ist die Ducati aufgehoben und die Schäden begutachtet. Außer dem Koffer und dem Handschutz ist nichts beschädigt und so können wir, halbwegs beruhigt, schlafen gehen.
Gute Nacht
Tag 3: Über Danzig nach Elblag
Tag 3 unserer Reise beginnt abgekühlt bei 13 Grad und wolkenverhangenem Himmel. Um halb sieben bin ich wach und kann nicht mehr schlafen. Also schön ausgiebig duschen. Hier gibt es warmes Wasser ohne Duschmarken.
Das Wetter klärt nicht wirklich auf und alles ist nass vom nächtlichen Regen. Endlich erhebt sich der Rest der Meute. Kurz nach acht sitzen wir einträglich bei Kaffee und Nutella–Schnittchen zur Lagebesprechung. Wir beschließen, das „schlechte“ Wetter zu nutzen und in der Nähe des Campingplatzes eine weltbekannte Wanderdüne zu besuchen. im Volksmund auch polnische Sahara genannt. Für ein kleines Entgelt fährt uns eine Tschutschubahn vom Parkplatz zur Düne. Überall Sand und große Menschengruppen. Aber sehr sehenswert. Hier entstand auch unser Titelfoto für 2013.
Mittlerweile schon 11.30 Uhr, starten wir auf unsere Tagesetappe nach Elbląg. Wir kommen gut voran auf den ersten Metern. Auch ein kleine Stück Feldweg ist für die Enduros dabei. Martin entscheidet sich dagegen und wir treffen uns 30 min später wieder.
Als dann wir in Danzig ankommen ist es schon gegen 16 Uhr. Nach einer kurzen Werftdurchfahrt mit Fotostopp suchen wir uns in der Innenstadt einen Parkplatz und machen uns zu Fuß auf den Weg, selbige zu erkunden. Touristische Must Haves sind für uns das Krantor, die Frauengasse und natürlich der Jachthafen. An der Hafenpromenade lassen wir uns gemütlich Eis und Kaffee schmecken. Eine Stunde später sitzen wir wieder auf den Motorrädern in Richtung Elbląg. Auf Grund der Zeitnot entscheiden wir uns für die schnellste Route. Nur eine kleine Autofähre nehmen wir als Umweg in Kauf. Spektakulär, und in Deutschland wahrscheinlich undenkbar, wird die Seilfähre, deren eigener Antrieb offensichtlich kaputt ist von einem kleinen Fischkutter seitlich geschoben.
Zügig fahren wir die letzten km nach Elbląg. 20 Uhr sind wir endlich da. Schön gelegen, mitten in der Stadt aber im Grünen am Fluss zeigt sich ein kleiner, familiärer Campingplatz mit vielleicht 10 Gästen. Wir haben Hunger und nach einem schnellen Zeltaufbau und kurzer Dusche gehen wir in die schöne Altstadt von Elbląg zum Abendessen. Bei vielen einladenden Lokalen fällt die Auswahl schwer. Am Ende machte ein mexikanisch-peruanisches Restaurant das Rennen. So was richtig Urpolnisches war leider nicht dabei. Auf dem Freisitz, es waren noch immer 22 Grad, lassen wir uns das erste kühle Bier des Tages schmecken. Die Kellnerin unseres Vertrauens spricht gutes Englisch und so können wir den Sprachführer im Zelt lassen. Das Essen ist sehr gut. Ich entdecke neben den mexikanischen Sachen doch noch etwas Polnisches für mich: Schweinebraten auf Kartoffelpuffer. Lecker, und die anderen Beiden sind auch sehr zufrieden mit dem üppigen Mahl. Zum Verdauen gibt es die polnische Spezialität, ratet mal….
Zum Abschied können wir der Kellnerin noch ein Brot für unser Frühstück am nächsten Tag abkaufen. Mit Verhandlungsgeschick konnte ich den Preis hochtreiben. Sie wollte 2 Zloty für das Brot, wir gaben ihr zehn. Dann machen wir uns auf den Weg zum Zelt und müssen leider feststellen, dass der Campingplatz nicht nur uns, sondern auch den Mücken sehr gefällt. Besonders Martin hat zu leiden….
Gute Nacht!
Tag 2: Die Ostsee
Sitzen gerade bei einem Gewitter unter dem Dach des Sanitärhäuschens eines Zeltplatzes direkt an der Ostsee in Leba. Vor einer Stunde waren wir baden, bei gefühlten 8 Grad schwimmen.
Und so kam es:
Frühstück um 8 nach einer angenehmen Nacht im Hotelzimmer. Rührei und Würstchen machen das Frühstück perfekt. Nach einem freundlichen dschen dobre starten wir auf unsere heutigen 300 km. Die ersten knapp 100 davon reißen wir auf der polnischen Bundesstraße ab. Dann biegen wir ab und genießen kleine Landstraßen mit urigen Dörfern. Die Straße ist 3 m breit, hoffentlich kommt kein Traktor von vorn. Herrliche alte Dorfkirchen säumen unseren weg. Zur besten Mittagszeit entschließen wir uns zu einer größeren Rast. Die Decke wird ausgepackt, der Kocher angeworfen und schon genießen wir den leckeren Hühnernudeltopf aus der Dose. Entspannt auf der Decke am Fluss sinnieren wir über die restlichen 100 km, die laut Navi noch ca. 4 Stunden dauern. Nichts ahnend, was da noch auf uns zukommt.
Zunächst spulen wir locker die ersten 30 km ab, dann kommen die ersten Feldwege.
Martin, mit der Ducati Multistrada hat den größten Respekt und die dünnsten Nerven. Nun kommen auch, küstentypische, Sandwege hinzu. Keiner hat uns bei dem Endurotraining vor Sandwegen gewarnt. Bei Glätte fahren mit dem Fahrrad beschreibt am besten das Gefühl, das wir dabei haben. Adrenalin pur! So ziehen sich die letzten km vor dem Zeltplatz. 30 km vor dem Ziel, beim letzten Tankstopp trennen wir uns von Martin. Er möchte sich und seiner Multistrada die letzten km auf der „normalen“ Landstraße gönnen. Dennis und ich entscheiden uns für geplante Route durch schönste Natur und ebenso gute Wege und Sandfurchen. Treibsand könnte man es auch nennen, was wir da bewältigen. Versucht mal am Strand Fahrrad zu fahren. Das Vorderrad macht was es will und das mit aller Macht. Herrlich. So genießen wir die ausgedehnten Kiefernwälder vor Leba. Martin wartet bereits an der verabredeten Stelle. Ein schöner Zeltplatz und direkt am Meer. Endlich unsere Koffer entladen und Zelt aufbauen. Kurzentschlossen und todesmutig stürzen wir uns in die Fluten der Ostsee, wie gesagt, eiskalt. Das Abendbrot fällt mit Wiener, Kartoffelbrei aus der Tüte, Büchsenwurst und natürlich frischem polnischem Brot deftig aus. Nun sitzen wir bei strömendem Regen unter dem Vordach des Sanitärhäuschen genießen unser Pils, träumen vom nächsten Tag und hoffen auf besseres Wetter.
Gute Nacht
Tag 1: Es geht nach Stettin
Aufregender Start.
Geplant 14 Uhr, natürlich starten wir erst 14.45 Uhr. Nach dem Verstauen diverser Proviantbüchsen und letzten Lagebesprechungen machen wir uns endlich auf den Weg Richtung Norden.
Nach knapp 160 km der erste Tankstopp. Es gibt noch nicht viel auszuwerten bei Currywurst und Kaffee. Die zweite Etappe wird anstrengender. Die Lider werden schwer und die Hitze tut ihr übriges. Bei Berlin ist ein kleiner Schauer sehr willkommen. Ein letzter Stopp bei der ehemaligen Politikersiedlung Wandlitz wird zu Toilettengängen genutzt und um die nötigen Flüssigkeitsreserven aufzufüllen.
Endlich in der ehemaligen Volksrepublik angekommen wird natürlich als erstes getankt und wir müssen feststellen, dass der Reifenluftdruck bei mir nicht den Vorgaben des Herstellers genügt. Schnell fülle ich Luft nach, die auch in Polen noch kostenlos ist.
Kurz entschlossen ändern wir die letzten 50 km von „schnellste Route“ auf „kurvenreiche Strecke“. So genießen wir die letzten Kilometer des Tages auf polnische Art und Weise.
Leider versagt unsere Ziel-Navigation am Ende deutlich, als es uns 500 m neben dem eigentlichen Ziel absetzen wollte. Mitten in einem Kreisverkehr und so müssenwir nun „von Hand“ weitersuchen auch dies gelingt ganz gut. Endlich angekommen stehen unsere Zimmer schon bereit. Der Name des Hotels „Villa Park“ trifft es ganz gut. Es ist wahrscheinlich das beste Haus am Platz. Also schnell duschen und mit dem Sprachführer ab zum Abendessen. Die Karte stellt kein Problem dar, ist Sie doch auf Englisch beschrieben. Nach dem Essen waren auch schnell die Worte bitte, danke und Bier und noch 3 Andere gelernt. Mit mehr Bier fällt einem aber nicht etwa die polnische Sprache leichter. Es ist eher umgekehrt die so schon schwierig auszusprechenden Konsonantenketten werden mit schwerer Zunge nicht einfacher. Halb eins bereiten wir uns auf die erste Nacht im neuen Land vor.
Bis morgen.
2011 Einmal im Kreis durch Rumänien – oder den Karpatengürtel enger schnallen
Unsere diesjährige Motorradtour führt uns in ein junges Mitglied der europäischen Union. Was uns dort wohl erwarten wird? Im Lande von Drakula und Siebenbürgen. Ein kleines Stück unseres Ritts auf dem Karpatengürtel führt uns durch die Ukraine. Der kommende Artikel wurde sogar im Markkleeberger Stadtanzeiger veröffentlicht:
Auf (Ab-)Wegen in Rumänien
Die Liebe zu Motorrädern und die Liebe zu ursprünglichen, wilden Gegenden verschlug uns (4 enthusiastische, Markkleeberger Motorradfahrer) Anfang Juli nach Rumänien. Wir brachen zu einer Rundreise durch die wilden Karpaten auf.
Die Anfahrt erfolgte zügig mit einem Motorradtransporter nach Satu Mare. Von da aus ging es zunächst in die Ukraine und weiter auf dem Karpatengürtel Richtung Südosten. Anschließend fuhren wir dann auf den Südkarpaten ins Landesinnere von Rumänien und nach Zarnesti, der rumänischen Partnerstadt von Markkleeberg. Wir beendeten unsere Tour wieder in Satu Mare.
Ungefähr die Hälfte der Wegstrecke war sauberer, glatter Asphalt. Der Rest setzte sich zusammen aus Straßen die gerade noch als Straßen erkennbar waren, aber diesen Namen eigentlich nicht verdienten. Sie bestanden aus bis zu 30cm tiefen Schlaglöchern bestanden oder es handelte sich um grobe Kiespisten oder einfache Wanderwege. Auch Umleitungen sind in Rumänien niemals ausgeschildert, man fährt einfach durch die Baustelle. Überhaupt gibt es in diesem Land viele Gegensätze, die es aber gerade deshalb so interessant machen. Auf der einen Seite gibt es den Fortschritt, der Dank der EU auch immer weiter Einzug hält und auf der anderen Seite sieht man Pferdefuhrwerke, die Milchkannen im Dorf ausfahren. Man sieht Bauern, die frühmorgens mit der Sense zur Heuernte auf das Feld ziehen und später das Heu mit dem Pferdewagen einfahren.
Sehr freundliche und aufgeschlossene Menschen begegneten uns. Einmal, nach einer Reifenpanne im Széklerhochland, unweit des Örtchens Miercurea Ciuc, half man uns schnell den Schlauch zu flicken. Man ließ uns gar nicht mitarbeiten, wir konnten nur zusehen und staunen, mit was für Improvisationstalent diese lieben Menschen halfen. Wir durften lediglich frisches Brot essen, da wir zufällig auf dem Hof der Dorfbäckerei gelandet waren. Zugegeben, nach deutschem Standard war die Reparatur sicherlich nicht, aber der Flicken hält immer noch und wir haben neue Freunde gefunden.
Mit vielen solchen und ähnlichen Eindrücken fuhren wir den Karpaten-Bogen ab. Am Ende der Reise hatten wir neben Rückenschmerzen nur einen, bis auf das Gewebe abgefahrenen Reifen und eine abgebrochene Lenkerschelle zu beklagen.
Letztendlich konnten wir jedes (unserer) Vorurteile gegenüber Osteuropa widerlegen und genossen jeden Tag unserer Reise.
Resümee
Einige Tage dauert es, bis der Staub aus den Motorradsachen raus ist. Das Motorrad bekommt eine gründliche Wäsche und mein Hinterteil kann sich endlich von der harten Sitzbank erholen. Die Eindrücke einer Woche Rumänien verändern auch in Deutschland etwas die Sicht auf die Dinge. Die Einstellung der Rumänen „Hauptsache es geht, egal wie“ ist zwar nicht immer angebracht, wenn ich mir aber Baustellenampeln und Umleitungswahnsinn in Deutschland anschaue, sehne ich mich immer wieder nach den rumänische Verhältnissen zurück.
Die Rumänen wie auch die Ukrainer führen ein ganz anderes Leben als wir. Vieles erinnert mich an die DDR Zeit. Fast jedes Dorf hat eine Post, einen Konsum und eine Polizeistelle. Beim Betreten der Post empfängt einen derselbe, fast vergessene Geruch von „früher“. Es gibt wenige Zeitungen und mindestens zwei Postbeamte die ihren Dienst verrichten.
Einmal kaufe ich für meine Postkarten Briefmarken. Die Beamtin gibt mir erst gar nicht die Marken, sondern leckt sie gleich an und klebt sie auf meine Karten. Undenkbar in Deutschland.
Folgende Sätze beschreiben Rumänien treffsicher:
- Angst um Hab und Gut – es gibt keinen Grund
- Angst um Leib und Leben – bei weitem nicht
- Angst vor Hunger und Durst – auf keinen Fall
- Gründe die gegen eine Reise nach Rumänien sprechen – es gibt keine
- Gründe die für eine Reise nach Rumänien sprechen – unzählbar
08_Freitag
Am letzten Morgen unserer Karpatentour bauen wir nur noch ein einziges Zelt ab. Matthias hat freiwillig, aus Abenteuerlust, oder auch wegen Lustlosigkeit zum Zeltaufbau unter freiem Himmel geschlafen. Die Nacht war für ihn nicht sonderlich erholsam. Hunde kämpften lautstark in der Nachbarschaft und die Hauskatze des Zeltwartes sah im Licht der Stirnlampe auch sehr skurril aus. Einzig und allein Ohropax brachten die Ruhe für einen seligen Schlaf. Wahrscheinlich hat er dadurch die einzige Möglichkeit verpasst, einen Bären bei der Nahrungssuche zu beobachten. Meine Nacht war dagegen wenig spektakulär. Ich wache von allein auf, obwohl der Morgen nicht so drückend warm ist. Die Sonne kämpft noch mit dem letzten Berg, um uns später wieder ordentlich einzuheizen. Beim Blick über das Gelände sehe ich, dass Uwe schon das Frühstück vorbereitet hat. Der Dampf des Kaffeewassers verbindet sich eindrucksvoll mit den ersten Sonnenstrahlen, welche sich langsam über den Karpaten erheben. Ein toller Morgen.

Bei diesen perfekten Bedingungen schmeckt unser Frühstück mit reichlich Nutella und Wurst vorzüglich. Während wir unseren Kaffee genießen, fassen wir den Entschluss, den Zeltplatz vor 10Uhr zu verlassen.
Nach dem Zeltabbau kümmere ich mich um die Finanzierung der letzten Nacht. Ich nehme gleich noch mal meinen Fotoapparat mit, da ich das eingemauerte Wohnmobil unbedingt noch auf meine Speicherkarte bannen möchte. Der Zeltplatzchef erwischt mich beim fotografieren und gibt mir ohne zu Fragen einen geschichtlichen Abriss über seine Anreise vor mehr als 10 Jahren. Er zeigt mir gern die Inneneinrichtung und zieht dann noch das ein oder andere Fotoalbum aus der Versenkung.

Im Jahr 2000 war er mit dem Koloss von Deutschland nach Rumänien gefahren. Die nächste Geschichte des Zeltplatzchefs handelt über die Müllentsorgung in Rumänien. Hier wird Müll nicht getrennt. Mit etwas Glück kommt jede Woche das Müllauto, nimmt den Müll mit und kippt ihn anschließend in eine Schlucht. Wenn diese dann voll ist, wird etwas Erde darauf gekippt. Müllverbrennungsanlagen oder etwas ähnliches gibt es nicht in Rumänien. Müll ist wirklich ein großes Problem, an jedem Bergsee oder Fluss sammeln sich Autoreifen und Plasteflaschen. Die Rumänen haben da eine andere Sicht der Dinge: „Hauptsache es geht irgendwie, mehr muss nicht sein“.

Die Geschichten gehen vom Hundertsten ins Tausendste. Langsam aber sicher müssen wir aber los! Ich würge das Gespräch etwas ab und frage nach etwas Mineralwasser für unsere Weiterfahrt.
Los geht es kurz vor 10Uhr durch ein romantisches Flusstal. Da wir gestern nicht getankt haben, sind die Maschinen auf eine baldige Tankstelle angewiesen. Der erste Teil unserer Tagesetappe besteht mal wieder aus Schotter und führt uns durch kleinste Dörfer hindurch. Hier eine Tankstelle zu erwarten, wäre schon ziemlich naiv.
Matthias und Uwe melden Spritmangel, bei Uwe leuchtet auch schon die gelbe Reservelampe. Mit dem größten Tank in der Runde sehe ich die Spritproblematik eher entspannt. Ich überlege mir schon den ein oder anderen Plan, wie ich etwas von meinem Benzin spenden könnte. Matthias und Uwe bleibt nur das Prinzip Hoffnung. Der Gashahn wird nur noch behutsam betätigt, um jeden Tropfen Benzin mit Bedacht durch die Vergaser laufen zu lassen. Schwitzend aus Angst und vor Hitze erreichen wir die ersehnte Tankstelle. Am Ende ist sogar noch Sprit für ca. 30km in den beiden Tanks. Etwas erstaunt über unsere sparsamen Motorräder trinken wir noch etwas eiskaltes Wasser, putzen die Visiere und fahren dann schnell weiter.
Ein kleines Stück noch auf einer perfekt ausgebauten Bundesstraße, um dann wieder auf die bekannten rumänischen „Straßen“ abzubiegen. Später wählen wir ein kleines typisches Dorf für unsere Mittagsrast. Im Örtlichen Tante Emma Laden suchen wir uns Speisen und Getränke aus. Wie wir wissen, sind unsere Lei knapp. Da eine Bezahlung mit Euro sonst nie ein Problem ist, machen wir uns darüber auch keine weiteren Gedanken. Als ich den Kohlenhydrathaufen bezahlen will, lehnt die nette ältere Verkäuferin meine Euro ab. Mein Verhandlungsgeschick reicht auch nicht, um sie für meine Devisen zu begeistern. Am Ende lasse ich die gute Frau in „Konsum- Rentnerart“ meine letzten LEI aus dem Portmonee ziehen. Fast den ganzen Einkauf müssen wir zurück gehen lassen, nur eine kleine Apfeltasche bleibt am Ende übrig! Wir teilen uns den Einkauf brüderlich und trinken statt kalter Cola unser warmes Wasser. Es ist eh wieder unheimlich heiß und so stillt die kleine Apfeltasche zusammen mit ein paar Waffelreserven unseren Hunger. Kurz vor der Weiterfahrt kommt ein großer glatzköpfiger junger Mann auf uns zu. Er sieht aus wie der örtliche Drogenhändler und fragt, ob wir Euro in Lei tauschen wollen. Wir lehnen aus Trotz und Sättigungsgefühl dankend ab.
Vor dem Geschäft sitzen ein paar Rumänen beim Mittagstalk. Uwe fragt noch schnell, um sich Bestätigung zu holen, nach dem Weg. Die Richtung, in die Uwe zeigt, ist eine andere als die der Rumänen. Etwas verwundert lässt er sich überzeugen und wir wählen mit dem neuen Weg auch den richtigen.
An einer der nächsten Kreuzungen schweift mein Blick über Uwes Hinterrad. Ein Schreck durchfährt mich!

Der Gummi ist an einigen Stellen durchgefahren und ich kann schon das Gewebe sehen. 80km sind noch vor uns. In einem kurzen Krisengespräch beschließen wir, bis Satu Mare im Schleichgang zu fahren. Zu unserem Glück sind diese 80km nur gut ausgebaute Landstraße. Weitere Steinpisten würden mit Sicherheit ein „Lautes Ende“ für Uwes Hinterreifen bedeuten.
Nur was passiert, wenn drei Motorräder mit maximal 60km/h auf einer Landstraße unterwegs sind? In Deutschland ist dies schon bedenklich, in Rumänien ist es einen ganzen Zacken schärfer! Mit Warnblinkanlage und Fahren an der Straßenmitte mache ich unseren langsamem Konvoi so breit wie möglich. An geeigneten Stellen lasse ich dann regelmäßig die angestauten Autos überholen. Die geringe Verkehrsdichte ist dabei ein Segen.
Glücklich erblicke ich nach diesem anstrengenden Fahren das Ortseingangsschild von Satu Mare. Uwes Reifen ist noch funktionstüchtig, Glück gehabt. Mit dem Erreichen der Stadt fällt eine große Last von unseren Schultern. Nun kann man sich endlich etwas gehen lassen und vor Hitze stöhnen. Hier muss doch gleich unser Transporter stehen! Nur wo? Satu Mare ist eine riesige Stadt und wir verlieren uns hoffnungslos bei bis zu 37Crad im Großstadtgewühl. Über eine Stunde verbringen wir mit unserem „Sightseeing“. Wirkliche Hilfen zum Finden unseres Hotels gibt es lange Zeit nicht. Die Frage nach dem Weg ergibt immer dasselbe Ergebnis. Man ist kurz glücklich, gleich da zu sein, um zwei Minuten später zu merken, dass es auch diesmal wieder eine falsche Beschreibung war. Die Odyssee findet erst ein Ende, als Uwe eine Fahrschule nach dem Weg fragt. Der Fahrlehrer erklärt sich bereit, uns zu führen. Seine Fahrschülerin darf fahren. Irgendwie hat er den Hotelnamen nicht richtig verstanden und so führt er uns zum falschen Hotel. Noch mal erklärt Uwe mit Zeigen auf seine Karte und mit „allen“ Gliedmaßen unser Anliegen. Wir starten erneut und erreichen kurz danach endlich unser Hotel. Das Beste ist, der Transporter steht noch da wie am ersten Tag, natürlich inklusive der Schramme. Nach einer Stunde Stadt und davor zwei Stunden Bummelfahrt auf der Landstraße bin ich mit meiner Energie am Ende. So schnell ich nur kann, entledige ich mich meiner Motorradsachen. Endlich in einer kurzen Hose setze ich mich erst mal ein paar Minuten hin. Mit etwas zittrigen Händen zische ich in Rekordzeit einen Liter kaltes Wasser weg.
Das Aufladen der Motorräder geht schnell und ruhig von der Hand.

Fast schon Routine. Aber die Hitze, schlimm. Nach dem Aufladen dürfen wir im Hotel nochmal duschen. Dies verbessert wesentlich unser Körperklima und natürlich auch das Raumklima in der Transporterkabine. Die Laune ist gut, als wir den Hof des Hotels verlassen. 7 aufregende Tage haben wir gemeinsam hinter uns gebracht. Nun wieder gemeinsam im Auto zu sitzen, ist ein gutes Gefühl. Das ein oder andere Verfahren in Rumänien lässt sich im klimatisierten Transporter leicht ertragen. In einem Dorf marschiert mal wieder eine ganze Kuhherde über die Straße.
Eine Woche Motorrad fahren- das bedeutet auch, sich alle Fahrerlebnisse zu merken, um sie dann bei der nächsten Rast auszutauschen. Jetzt hier gleich über eine Kuhherde reden zu können, ist schon die erste Stufe von wieder gewonnenem Luxus.
Nach und nach wird es still im Auto. Nach 13 Stunden erreichen wir inklusive einiger Fahrerwechsel Leipzig. Wir laden zwei Motorräder ab. Uwe erklärt sich bereit, den Transporter allein nach Berlin zu fahren. Ich stelle dafür gern mein Motorrad zur Verfügung.
Als Uwe Stunden später mein Motorrad zu mir bringt, fehlt eigentlich nur die Kaution zum perfekten Urlaubsende.
07_Donnerstag
Die Nacht war warm. Kein morgendlicher Tau und auch sonst keine Anzeichen auf einen frischen Morgen. Sto Gramm Palinka am Abend und früh 8Uhr schon diese drückende Hitze. Der Marschplan ist klar: Frühstück, Zeltabbau und so schnell wie möglich diesen Brutkasten verlassen. Unser einziges Glück in diesen heißen Morgenstunden ist ein unscheinbarer Baum neben unserem Zelt. In dessen Schatten können wir unser Frühstück genießen. Nachdem die Zelte abgebaut sind, zieht es Uwe und mich noch mal unter die kalte Dusche. Als wir endlich starten ist mir schon etwas wehmütig zumute, geht es doch heute in Richtung Norden, nach Satu Mare und damit auch dem Urlaubsende entgegen. Fast wie in Trance spule ich bei heißen Temperaturen die ersten 50km ab. Zwar ist mal wieder ein großer Teil davon Sandpiste, in große Aufregung versetzten diese Wege aber keinen mehr. Klar zu erkennen an den ausbleibenden Fotostopps, wie sie an den Anfangstagen unserer Reise gang und gäbe waren.
Beim ersten Tankstopp trennen wir uns von Micha.

Auf ihn wartet am Samstag eine Hochzeit, auf der er unbedingt pünktlich erscheinen möchte. Selbst 1200 km auf dem Motorrad stellen da keine Hürde dar. Der ansonsten für Ruhe bekannte Micha will sich nicht auf eine Heimfahrt in unserem bequemen Transporter verlassen.
Langsam verlassen wir nun mit den verbliebenen drei Motorrädern Siebenbürgen in Richtung Westen. Im Laufe des Tages streifen wir aber immer wieder dieses Gebiet. Man erkennt diese Gegend gut an den gepflegten Häusern und den besseren Straßen. Die von Uwe gewählte Straße wird langsam immer kleiner und schmaler. Dafür ist sie asphaltiert und von bester Qualität. Für mich als letzten Mann in der Truppe halten wir grundlos auf dieser Strecke an. Uwe spricht folgende Worte: „Wir fahren hier ins Nirgendwo, vor ein paar hundert Metern muss ein Abzweig gewesen sein!“. Hat die Sonne ihm geschadet? Links und rechts nur Felder und Uwe sucht nach einem Abzweig. Was soll´s, rumdrehen und hundert Meter fahren, hier ist ein Abzweig! Nix mit Sonnenschaden, ich habe Uwe unterschätzt. Trotzdem hallen Uwes Worte in meinen Ohren- Wir fahren hier ins Nirgendwo! Nun befahren wir bei über 32°C eine Hochebene, welche gerade noch so Motorradtauglich ist. Schwer ausgefahrene Spurrinnen sind bei nachlassender Konzentration immer schwerer zu beherrschen. Unerwartet bleibt Uwe auf dieser schattenfreien Ebene für eine kurze Rast stehen. Ich suche auf diesem Feld nach einem geeigneten Standplatz, finde aber absolut nix geeignetes und beschließe die Pause sitzend auf dem Motorrad zu verbringen.
Matthias Abstellplatz ist unglücklich gewählt, beim absteigen touchiert er seine Gepäckrolle und sein Motorrad kippt! Erst kurz vor dem Bodenkontakt kann er die Maschine aufhalten. Uwe eilt ihm sofort zu Hilfe. Sitzend auf meinem Motorrad kann ich leider nicht helfen, ohne mein Motorrad auf das von der Sonne erhitze Feld zu werfen.
An der KLR bricht eine kleine Nase am linken Schalterelement. Matthias bleibt trotz des kleinen Schadens gelassen. Was Ihm mehr Sorgen bereitet, sind die Hochspannungsmasten. Er gibt zu bedenken, dass wir uns unter ihnen aufladen. Mit meinen Elektrotechnikwissen kann ich mir das zwar nicht erklären, aber besonders sympathisch ist mir das knistern auch nicht. Wir entscheiden uns schnell weiter zu fahren, um dann an geeigneteren Stelle zu pausieren. Ein paar hundert Meter später finden wir im Schatten einiger Bäume einen Pausenplatz. Mit etwas ISO- Band können wir die KLR reparieren. Die Weiterfahrt ist gezeichnet von höchsten Temperaturen, anspruchslosen Straßen und staubigen Stadtdurchfahrten. Die Außentemperaturanzeige meiner GS kennt nur eine Richtung. Keiner meiner Mitfahrer möchte mehr eine Info über die aktuelle Temperatur. Ist Hitze besser zu ertragen, wenn man nicht weiß wie heiß es ist?? Meine Gedanken sind immer wieder bei Micha, der bei diesen Temperaturen auf der Autobahn und durch Millionenstädte fahren muss. Die Abendstunden näheren sich und wir fahren parallel zu einem Fluss in die Westkarpaten ein. Die Temperaturen gehen unter die 30° Marke. Schön! Und dazu endlich wieder Kurven.
Genau zur richtigen Zeit erreichen wir einen schön gelegenen Campingplatz. Dieser Platz wird von einem alten Rumänen geführt, der uns mit seiner Riesenbrille und fleckigem, ehemals weißem Unterhemd und Shorts empfängt. Er ist freundlich und zeigt sich sehr interessiert an unseren Bikes. Auf unsere Frage hin, warum er so fließend deutsch sprechen kann, teilt er uns mit, dass er mit 20 Jahren nach Deutschland ausgewandert sei. Nun ist er mit seinem Wohnmobil und Wohnanhänger zurück und wird hier bleiben. Bevor wir uns entschließen können zu bleiben, checken wir aus Erfahrung erst mal die sanitären Einrichtungen. Wir erblicken nicht nur ausreichend gepflegte und gekachelte Räume, sondern auch das Wohnmobil samt Anhänger eingebaut im Haus. Es steht quasi im Flur zwischen Bad und Küche!

Auf dem beschaulichen Campingplatz ist nicht viel los. Drei deutsche Pärchen, allesamt Rucksacktouris und Bullifahrer. Zum Abendessen laufen wir ein Stück ins Dorf. Unser Zeltplatzwart kommt mit seinem Motorrad hinterher gefahren und hilft uns beim Bestellen im Restaurant. Danach holt er für uns noch Bier vom Kiosk.
Auf die Frage, ob er mit uns ein Bier im Restaurant trinken möchte, verneint er mit dem Verweis, dass er Bier nur am Morgen trinkt. Er fährt in seinen kurzen Hosen und Unterhemd, dafür ohne Helm zurück zum Zeltplatz. Die Bierbüchsen legt er in unser Vorzelt. Unsere Menüauswahl ist geprägt von Uwe und Matthias. Uwe will mit Maisbrei ein typisches Gericht der Schafhirten probieren und Matthias hat mal wieder Lust auf ein Hähnchensteak. Dazu gibt es Fetakäse und Saure Sahne. Den beiden schmeckt es. Ein Absacker darf nicht fehlen und so bestellen wir routiniert „fifty gramm“ bei der netten Bedienung. Der Palinka ist unser letztes alkoholisches Getränk in Rumänien. Auf unserem Heimweg zum Zeltplatz brechen unsere Stirnlampen das Dunkel der Nacht. Eine Straßenbeleuchtung ist meist nicht vorhanden oder geht immer wieder aus. Optimistisch in der Hoffnung auf einen erholsamen Schlaf bleiben die Bierbüchsen unversehrt.

