Heute geht’s also nach Budapest. Kein Nachtzug diesmal – wir müssen umsteigen und sogar Schienenersatzverkehr nutzen. Das wird spannend. Unsere Route führt durch drei Länder: von Kroatien über Slowenien bis nach Ungarn.
Wir verlassen das inzwischen vertraute, kleine Zagreb genauso, wie wir angekommen sind – mit dem Zug. Der startet früh. Die Dämmerung schiebt gerade die Nacht beiseite, als wir am Bahnhof ankommen. Die ersten Sonnenstrahlen fallen über die Gleise. Unser Zug steht schon bereit, ein Fernzug, dessen Ziel irgendwo in Slowenien liegt – wenn ich mich richtig erinnere. Der Zug erinnert mich, wie auch der spätere von Ljubljana nach Budapest, an einen alten D-Zug aus den 80ern: große Sechserabteile mit weichen, tiefen Sitzen, die man zu Liegen umfunktionieren kann. Das Beste: Die Fenster lassen sich öffnen. Die Heizung über der Tür kennt zwar mehrere Stufen, funktioniert aber nur in den Extremen – heiß oder kalt. Und die Toiletten! Auf ihnen klebt tatsächlich noch der Aufkleber: „Nicht benutzen, wenn der Zug steht.“ Und das ist wirklich ernst gemeint.
So reisen wir also zurück in vergangene Zeiten und rollen die ersten Kilometer auf kroatischem Gleis dahin. Die Schienenstöße sind deutlich zu spüren, das rhythmische Rattern wiegt uns fast ein wenig in Trance. Eine Stunde später erreichen wir Zidani Most – ein Ort, an dem die Savinja in die Save mündet und sich zwei große Bahnlinien kreuzen. Der Bahnhof ist überraschend groß, das Örtchen dagegen winzig. Wir haben Aufenthalt, entdecken aber nicht viel außer einem vollen Parkplatz und einer Hauptstraße. Dafür ist auf dem Bahnhof richtig was los: Bauarbeiter erneuern die Gleise – harte körperliche Arbeit. Drei Teams mit je zehn Männern schrauben, stemmen, heben. Die riesigen Motorspanner dröhnen, Schrauben werden per Hand eingesammelt. Es wirkt wie aus einer anderen Zeit. Die Minuten vergehen, ein paar Züge rattern vorbei.
Irgendwann, nach einigem Hin und Her und mit Verspätung kommt auch mal unser Zug nach Budapest aus Lubjana an. Bis dahin verbringen wir die Zeit mit Hoffen und Bangen, „Fährt er wirklich,?“ oder „Kommt er nicht doch auf einem anderen Gleis?“. Irgendwann frage ich noch eine Schaffnerin, die mich aber beruhigt, das alles gut wird. Schließlich – mit einiger Verspätung – taucht unser Zug nach Budapest aus Ljubljana auf. Wir steigen ein und freuen uns: wieder ein Nostalgiezug!
Gemütlich rattern wir los. Der Zug besteht nur aus vier Wagen, und wir haben ein Abteil für uns allein. Ich bin etwas irritiert, weil überall „Ljubljana – Budapest“ angeschrieben steht. Laut Ticket sollte es doch einen Schienenersatzverkehr geben. Doch es gibt keine Durchsagen, keine Hinweise. Wir lassen alles auf uns zukommen – schließlich sind wir im Urlaub. Vielleicht hilft auch der gute Proviant aus Zagreb dabei, entspannt zu bleiben.
Trotzdem frage ich irgendwann den slowenischen Schaffner auf Englisch, ob der Zug wirklich bis Budapest fährt. Ich zeige ihm unser Ticket mit dem Bus-Hinweis. Er lächelt und wiederholt mehrfach: „Budapest, da-da, ja, Budapest Keleti.“ Na gut – Keleti kennen wir, auch wenn wir dort laut Plan gar nicht ankommen sollen. Wird schon passen.
Beruhigt lehnen wir uns zurück, packen unser Reisebuffet aus Zagreb aus und genießen ein Lasko-Pils aus der Dose. Passend dazu stampft der Zug gerade an der Lasko-Brauerei vorbei. Perfektes Timing – die Mischung aus Zufall und Lokalkolorit macht diese Reise einfach besonders.
Die Fahrt zieht sich durch die slowenische Landschaft. Dörfer und kleine Städte ziehen vorbei, gepflegt und fast ein wenig österreichisch. An jedem Bahnhof steht ein Bahnhofsvorsteher, der pünktlich mit einem Pfiff den Zug weiterwinkt. Eine kleine Zeitreise auch das. Menschen überqueren die Gleise, als wäre es das Normalste der Welt. In Deutschland undenkbar – hier aber völlig selbstverständlich. Reisen entschleunigt hier wirklich.
Schließlich erreichen wir die Grenze zu Ungarn, im winzigen Ort Hodoš. Keine Kontrolle, kein Stempel – nur Lokwechsel und Personaltausch. Der Aufenthalt zieht sich, längst hätten wir umsteigen müssen. Doch dann kommt der ungarische Schaffner, sieht unsere Tickets – und schaut noch skeptischer auf unser improvisiertes Buffet. Mit Händen und Füßen erklärt er uns, dass wir in wenigen Minuten aussteigen müssen, wenn wir wirklich nach Budapest wollen. Denn: Dieser Zug fährt nicht weiter. Bus!
Also alles zusammenpacken, Rucksäcke schultern, raus aus dem Zug. Wir fragen uns: „Wartet der Bus?“ „Zählt hier überhaupt jemand mit?“ Doch alles läuft glatt. Vor dem Bahnhof steht ein großer, gelber Bus – nicht zu voll, mit Zielanzeige „Veszprém“. Passt. Nur fast zwei Stunden Verspätung, aber was soll’s.
Die Busfahrt zieht sich. Zwei Stunden lang Musik hören, dösen, Landschaft schauen. Schließlich erreichen wir Veszprém, wo der Anschlusszug schon bereitsteht. Eineinhalb Stunden später rollen wir endlich in Budapest-Kelenföld ein.
Budapest empfängt uns wie eine alte Bekannte. Wir erinnern uns an Keleti, wo wir damals auf dem Weg nach Istanbul gelandet sind. Draußen empfängt uns das abendliche Gewusel der Großstadt. Wir suchen unsere Straßenbahn – eine alte, klapprige aus den 60ern! Mein Herz schlägt höher. Doch keine Automaten weit und breit. Der Fahrer winkt uns ungeduldig zur App. Also laden wir sie runter, registrieren uns, hinterlegen Karten – und natürlich klappt’s erst nach drei weiteren Bahnen.
Dann sitzen wir endlich in einer alten Straßenbahn, rumpeln durch Buda in Richtung Donau. Die Sitze sind neu, das Äußere nostalgisch – perfekt. Als wir über die Donau rattern, leuchtet die Kettenbrücke golden im Abendlicht.
Unser Hostel liegt im jüdischen Viertel in Pest. Zum Glück haben wir schon vom Zug aus eingecheckt. Kurz die Rucksäcke abwerfen, dann gleich nebenan bei Fat Mama etwas Leichtes essen. Später lassen wir den Tag entspannt in einer Bar ausklingen – zufrieden, müde und glücklich, endlich in Budapest angekommen zu sein.

