Halb 8 unterbricht Uwe meinen gesegneten Schlaf. Zeit zum Aufstehen. Ich verschiebe nochmals das Duschen und gehe nach der „Bett-Wäsche“ direkt zum Frühstück. Hotel und Frühstück – das kann nur gut werden! Im Frühstücksraum angekommen, sieht alles sehr übersichtlich aus. Keine weiteren Gäste und auch kein Buffet, dafür sind Instantkaffee oder Tee wählbar. Mit einem Kaffee in der Hand sitze ich nun mit Uwe am Tisch. Die Köchin hat uns bemerkt und bringt kurz darauf unser Frühstück. Boulette mit Reis inklusive Salatgarnitur. Zum Mittag oder Abendessen gern, aber früh? Ich drehe mir mit Mühe die Boulette rein, esse den Salat und kaue etwas auf dem Reis rum. Meine Mitfahrer haben da mehr Appetit.
Selbst die etwas später zum Frühstück erschienenen Micha und Matthias sind eher fertig als ich. Ich lasse den Reis Reis sein und hole mir noch einen Kaffee.
Ausreichend gestärkt nutze ich noch das luxuriöse Bad, um mich etwas zu kultivieren. Wer weiß, wann mal wieder eine gepflegte Rasur möglich ist. Kurz nach 10Uhr verlassen wir Bukovel. Heute geht es wieder zurück in die Heimat, nach Rumänien! Diese Aussage beschäftigt Matthias eine ganze Weile. Ich denke EU= Heimat.
Die Straßen sind ein Gemisch aus allem, gut, mittel, schlecht. Ein und dieselbe Bundesstraße besitzt oft alle diese Zustände. Zum großen Teil liegt es daran, dass hier gebaut wird. Ich glaube auch nicht, dass es in der Ukraine Umleitungsschilder gibt. Der Weg führt einfach weiter durch die Baustelle. Wenn gebaut wird, dann sind sehr viele Arbeiter vor Ort. Die wichtigsten Hilfsmittel sind Schubkarre und Schaufel. Größere Baumaschinen gibt es auch, sind aber selten.
Die Häuser am Wegesrand sind zum größten Teil schön herausgeputzt. Helle Fassaden und glänzende Dächer prägen das Bild. Überall sind Menschen auf den Beinen, wo die nur alle hin wollen? In einem Dorf halten wir, um auf die Karte zu schauen. Da ich mich aus Navigationsaufgaben gern heraushalte, gehe ich mit Matthias in einen Konsum. Wir sprechen uns kurz ab, ob wir wohl vorher wegen der Bezahlung fragen sollten. Besser nicht! Wir nehmen uns Wasser, welches am meisten vergriffen ist (wie wir kurz darauf feststellen müssen, ist es gesalzenes Wasser), suchen Kekse heraus und etwas Schokolade. Alles zusammen mit einem 5 Euroschein auf den Kassentisch. Erst ist der Blick des jungen Kassierers etwas ungläubig, kurz darauf ein verschmitztes Lächeln. Er holt sein privates Portemonnaies aus der Tasche und alles ist möglich. Bei diesem glücklichen Gesicht ist noch eine Schokolade mehr drin! Matthias sucht schnell noch eine aus und legte sie mit auf den Tisch. Wir bekommen ein paar UAH zurück und gehen wieder zu den Mopeds.
Gerade wieder gestartet wird Uwe wenige hundert Meter später von einem Polizisten angehalten. Das kann nicht gut sein, sind meine Gedanken, als auch ich rechts ran gefahren bin. Der Polizist gestikuliert viel. Am Ende will er Uwe nur davon überzeugen, dass es besser ist, dicht in der Gruppe zu fahren. Puh, so was kann im Ausland auch mal anders ausgehen!
Wir nähern uns langsam der von mir benannten Heimat. 3 km, 4 Spuren, so sieht die Anreise zur Grenze aus. Hier kann man sicher lange warten! LKWs stauen sich heute auf 2 km. Wir können aber bis auf Sichtweite der Abfertigung vorfahren. Mein Versuch, das Motorrad auf den Seitenständer zu stellen, scheitert auf dem weichen Asphalt. Es sind über 30 Grad und selbst Uwes Schuhe zollen der Hitze Tribut. Die Sohle löst sich Stück für Stück. Kaum ein paar Minuten gestanden gesellen sich langsam aber sicher interessierte Ukrainer und Rumänen zu unseren Motorrädern. Uwe und Micha unterhalten sie. Mir ist das nur Recht, ich habe keinen Bedarf auf Smalltalk bei der Hitze. Ich blicke, gestützt auf meinen Lenker, nach vorn und sehe einen Grenzbeamten auf uns zukommen. Er spricht uns an und gibt zu verstehen, dass wir vorfahren sollen. Vorn angekommen, können wir mit dem „Auschecken“ beginnen. Die Prozedur ist dieselbe wie bei der Einreise. Nach dem Stempel im Reisepass fahren wir zur rumänischen Seite. Zwei lange Pkw Schlangen stehen vor der Abfertigung. Eine Ordnung oder gar Fahrspuren sind hier nicht zu erkennen, hier macht jeder was er will. Von hinten drängeln immer wieder Autos und schlängeln sich irgendwie nach vorn. Ein freundlicher Rumäne spricht uns an, und verweist uns zu einer anderen Schlange. Etwas skeptisch dieser Aussage gegenüber, gehe ich gemeinsam mit Uwe zu der empfohlenen Spur. Diese Spur ist für EU Bürger. Der Zöllner fragt schroff, ob wir denn Diplomaten wären. Da wir dies nur verneinen können, geht es für uns Retour. Unser freundlicher Rumäne kann dies absolut nicht verstehen. Wir bleiben aber jetzt unbeirrt in der Schlange und verteidigen unseren Platz. Die Sonne versteckt sich mittlerweile hinter ein paar Wolken. Dies macht das Warten bei weitem angenehmer. Nach einer knappen Stunde sind wir schon dran. Die zwei Grenzbeamten, welche uns kontrollieren sollen, dösen gemütlich auf ihrem Stuhl neben dem Schlagbaum. Ohne auch nur eine einzige Bewegung zu machen, scheint es eindeutig so, dass sie unsere Unkenntnis vom Grenzablauf genießen. Nach ein paar Minuten bequemen sich die Beamten dann doch und lassen uns gewähren. Alles in allem dauert die ganze Prozedur etwas über zwei Stunden.
Gleich nach der Grenze halten wir an einer Tankstelle. Micha bekommt für seine GS eine neue H7 Lampe und gemeinsam stärken wir uns mit Coca Cola aus Dosen und weiteren Süßstoffen. Auf den folgenden, größtenteils langweiligen geraden Pisten geht es zurück in die Berge der Karpaten.
Während dieser Pflichtkilometer sinniere ich über meine „Grenzerfahrungen“ der letzten beiden Tage. Die Hauptfrage ist klar für mich: Was qualifiziert einen jungen Menschen zum Grenzer? Wahrscheinlich kommt der größte Teil der Beamten nach einer Abweisung in der Schauspielschule zum Grenzdienst. In der Schauspielschule mit Sicherheit unfähig, lustige oder glückliche Momente zu spielen, erweisen sie sich sofort tauglich für Passkontrollen. Anders kann ich mir einfach diese Gefühlskälte nicht erklären. Ich hatte ständig das Bedürfnis, mich für meine Grenzübergänge entschuldigen zu müssen. Mundwinkel, die auch nur im Ansatz nach oben gingen? Fehlanzeige! Vielleicht hatten wir nur schlechte Tage erwischt, egal. Rausgerissen aus meinen Gedanken halten wir plötzlich in einem Dorf. Kurz nach 19Uhr ist es schon. Ich versuche den Grund des Stoppens zu erahnen. Nun sehe ich es, ein unscheinbares Schild kündigt in wenigen Metern einen Zeltplatz an. Nach einer kurzen Absprache entschieden wir uns für diesen idyllisch gelegenen Platz.

In fehlerfreiem deutsch begrüßt uns der Zeltplatzbesitzer. Wie sich heraus stellt, ist er Holländer. Noch auf den Motorrädern sitzend erkundigen wir uns, ob es noch etwas zu Essen gibt. Der Holländer bietet uns Rindfleischsuppe an. Ich werfe ein paarmal das Wort „Bier“ in den Raum. Wir nicken die Rindfleischsuppe ab, und der Holländer nickt den Wunsch nach Bier ab. Während wir unsere Zelte aufbauen, kocht seine Frau unser Abendbrot, er zieht los um unser gewünschtes Bier zu kaufen. Nach einem sehr leckeren Mahl, inklusive Salat und Eis zieht es uns langsam die Augen zu. Es wird die erste Nacht, in der wir nicht in einem Hotel schlafen. Wo ist nur die Taschenlampe? Gute Nacht!

