02_Sonnabend

Samstagmorgen erwache ich überraschend erholt nach dieser kurzen Nacht. Das Frühstück ist eher ernüchternd, wenig Platz im Frühstücksraum gepaart mit wenig Auswahl am Buffet. Vier Stunden Schlaf sollten es ja werden, doch die Androiden Handys, gönnten uns nur drei. Wir sind gestern eine Zeitzone weiter gerutscht. Als wir dies realisieren, ist es längst zu spät, um erneut die horizontale Position einzunehmen.  Also raus und die Motorräder abladen. Uwe versucht den Transporter in eine gute Entladeposition zu bringen. Da er allerdings vergessen hat, dass er nicht in einem PKW sitzt und zweitens auch nicht mehr zu wissen scheint, wie eng er Matthias gestern an einer Säule eingewiesen hatte, kommt es zu einem kleinen Parkrempler. Nicht weiter schlimm, nur der Lack ist ab. Da nun keiner mehr was ändern kann, laden wir bei feinstem Sonnenschein die Bikes ab.

Nach kurzer Absprache mit den netten Hoteldamen, dürfen wir unseren Transporter für die Woche in einem eingezäunten Gelände parken. Dieses wichtige Problem gelöst, steht unserem Start nichts mehr im Wege. Nach 100 Metern der erste Tankstopp. Nun aber endlich mal los! Wir verlassen Satu Mare und können somit zum ersten Mal rumänischen Fahrtwind genießen.

Die Dörfer wirken wie vor hundert Jahren. Nur die Autos trüben diesen Eindruck. Es ist vom alten Dacia bis zum neuen BMW alles vertreten. Die Verkehrsdichte ist gering, dafür überholen uns die wenigen Autos auf biegen und brechen. An die vorgeschriebene Geschwindigkeit halten wir uns nur allein. So können wir nur Fahrzeuge von Bauern überholen, genauer gesagt Traktoren und Pferdekutschen. In den Höfen sieht man regelmäßig Brunnen, aus denen das Wasser wie vor hundert Jahren heraus geholt wird. Fast überall grüßen und winken uns die Dorfbewohner freundlich zu.

12Uhr erreichen wir die EU Außengrenze zur Ukraine. Wir stellen uns brav an und warten auf die Dinge die da kommen. Bei Temperaturen nahe der 30 Grad Marke bringt die Sonne uns bald dazu, Schatten zu suchen. Mittags 12Uhr kein leichtes Unterfangen. Nur die LKWs, die neben uns stehen, können sich der Sonne in den Weg stellen. Nach einigem Nachfragen und zwei Stunden Wartezeit wird klar, hier kommen wir heute nicht mehr rüber. Der Grenzcomputer hat seinen Geist aufgegeben. Die Beamtin zeigt uns auf Uwes Karte den nächsten Übergang.

Ein herber Rückschlag, sind doch unsere Tagesrouten knapp kalkuliert. Schließlich müssen wir unser Hotel in der Ukraine erreichen. Wir kürzen die Route und nehmen den nächsten Grenzübergang als Ziel. Mal schnell hinfahren ist in Rumänien leider nur selten möglich. Die Dörfer sind ellenlang und können nur mit 50km/h befahren werden. Selbst diese Geschwindigkeit verlangt schon hohe Konzentration. Die Löcher sind teilweise so tief, dass sie das Leben einer Motorradfelge mit einem Mal beenden können.

Nach kurzer Suche finden wir den gut versteckten Grenzübergang. Kaum stellen wir unsere Motorräder ab, kommt schon ein netter rumänischer Grenzbeamter auf uns zu. Wir sollen nach vorne kommen, wir werden gleich mit abgefertigt! Klasse! Die Grenzbeamten beäugen unsere Maschinen und nebenbei auch unsere Papiere. Nach wenigen Minuten öffnet sich der Schlagbaum und wir fahren über den Grenzfluss zu den ukrainischen Grenzbeamten. Hier ist die Prozedur langwieriger und gleichsam komplizierter. Der Erste Beamte schreibt mein Nummernschild auf einen Zettel. Er übergibt mir diesen Zettel und ich kann ein paar Meter weiter fahren. Nun stehen wir alle wieder da, und das auch noch in der prallen Sonne. Der nächste Beamte kommt – Kontrolle aller Papiere. Also Reisepass, Grüne Karte und Fahrzeugschein. Mit dem Fahrzeugschein wird die Rahmennummer abgeglichen. Das Ergebnis kommt auf den Zettel von vorhin. Alles zurück bekommen, dürfen wir uns am Grenzerhäuschen anstellen. Immer noch pralle Sonne. Stück für Stück geht es voran. Nun kann auch ich den ganzen Kram ins Häuschen reichen. Hier wird das Ganze in den Rechner eingegeben. Aha, deswegen kein Grenzübertritt, wenn ein Computer streikt. Dann noch zum zweiten Fenster. Nochmal anstehen, nochmal alles abgeben, nochmal Computercheck und dann noch ein Stempel auf den Zettel. Jetzt kommt auch endlich der ersehnte Stempel in meinen Reisepass. Auf das Motorrad und los geht’s. Wenige Meter später werde ich gestoppt. Ein weiterer Beamter hat hier seinen Wirkungsbereich und sammelt die Zettel vom Anfang ein. Kurz gekramt, glücklich gefunden, um dann den Zettel gern zu übergeben. Endlich da! Wir haben die EU verlassen und befahren nun ukrainischen Boden.

Im nächsten Dorf halten wir kurz an, um uns die Stück für Stück vom Leib gerissen Motorradsachen wieder überzuziehen. Ich werde bei LOUIS noch mal nachfragen müssen, was atmungsaktiv wirklich heißt. Nicht einmal eine Minute hat es gedauert, da spricht uns eine Frau mittleren Alters an. Sie kann etwas deutsch und will wahrscheinlich mit uns nach Deutschland. Sie fragt uns nach unseren Frauen, ob wir Hunger haben oder ob wir etwas Wodka trinken wollen. Wir verneinen brav und versuchen ihr aus dem Weg zu gehen. Sie fragt schon, was wir für Männer sind, ganz ohne Interesse an Frauen und Wodka. Alle beeilen sich mit dem anziehen, nur in Uwe hat die Frau einen geduldigen Gesprächspartner gefunden. Alle wollen los, ich denke auch Uwe! Nur Uwe kann nicht einfach den Helm aufsetzten und das Gespräch so beenden. Dafür ist er zu gut erzogen. Erst nachdem unsere drei Motorräder laufen und der ein oder andere Gasstoß aus dem Auspuff pfeift, ist Uwes Helm dort, wo er hingehört und wir fahren los.

Die Ukraine zeigt sich nun von ihrer besten Seite. Eine perfekte Bergstraße mit feinen Kurven liegt vor uns. In den Dörfern zeigen uns die Ukrainer, dass sie mindestens genauso gut winken können, wie ihre rumänischen Nachbarn. Unsere Straße schlängelt sich nunmehr an einem Fluss entlang. Die andere Seite des Flusses ist wieder und wieder mit mehr oder weniger vertrauenswürdigen Hängebrücken verbunden.

Wir verlassen die bewohnten Gebiete und fahren ins Gebirge. Laut Google erwartet uns eine „Weiße Straße“. Die Bilder von Google Earth erwachen in mir wieder zum Leben, gleich wird es noch eine wilde Auffahrt zum Hotel geben. In Gedanken versunken werden wir mitten im Gebirge an einer Schranke durch die Polizei gestoppt. Der Polizist gibt eindeutig zu verstehen, dass hier Schluss sei. Ein weiterfahren ist hier nicht möglich. Ich sehe wie Uwe mit ihm spricht und dabei auf seine Karte zeigt. Nun wendet sich das Blatt, der gerade noch stur verneinende Polizist zeigt auf die gerade noch für uns gesperrte Straße und schickt uns mit den Worten „DA DA DA!“(JA JA JA!) weiter. Jetzt ist mir alles klar, Uwe spricht fließend Russisch und hat den Polizisten von unseren guten Absichten überzeugt. Über Funk instruierte der Polizist seine Kollegen. Diese erwarten uns aller paar hundert Meter. Gern weisen sie uns den weiteren Weg zum Hotel. Dieses befindet sich inmitten einer aus dem Boden gestampften Wintersportanlage. Hier war vor zwei Jahren sicherlich nur Wald. Es sieht aus wie in Österreich.

Ein schönes Hotel hat Uwe da raus gesucht. Alles sehr modern.

Die Warmwasserversorgung der Dusche funktioniert über einen im Bad befindlichen Boiler. Der macht aber nur warmes Wasser, wenn der Stecker auch drin steckt und das Wasser fließen kann…… Ein kurzer Anruf bei der Rezeption und der Techniker löst das Problem. Wir hätten auch in ein anderes Zimmer umziehen können, haben dazu aber keine Lust mehr. Da das Aufwärmen des Wassers einige Zeit in Anspruch nimmt, überzeuge ich Uwe, dass wir mit etwas Deo und frischen Klamotten schon mal zum nächsten Bierstand gehen können.

So sitzen wir nun in einem schönen Freisitz, warten auf die Bedienung und auf Micha und Matthias. 15 min sitzen wir rum und keiner interessiert sich für uns. Als unsere beiden Mitfahrer da sind, entscheiden wir uns für ein anderes Lokal. Im neuen, nett eingerichteten Restaurant werden wir platziert. So sind wir schon mal sicher, dass wir gesehen werden. Die Speisekarte ist in russischer und englischer Sprache ausgeführt. Die nette Bedienung scheint nicht bei der Übersetzung der Karte mitgewirkt zu haben, sie kann kein Wort Englisch. Mit dem Zeigen der Speisen auf der Karte geht es problemlos. Kurz darauf steht meine bestellte Vorspeise Soljanka auf dem Tisch. Ordentlich fettig und lecker. Nach einem Schaschlik ohne Spies und ein paar Bier bestellen wir uns noch einen Wodka. Einfach 4 Doppelte bestellen geht in der Ukraine aber nicht. Hier wird gleich eine Karaffe gebracht. Eingießen darf man dann selbst. Nach diesem Absacker machen wir uns durch das märchenhaft beleuchtete Skigebiet zurück in unser Hotel.