Die Feder wandert wieder zu mir (Uwe). Eine unruhige und kurze Nacht später werde ich eine Stunde vor der planmäßigen Ankunft in Kiew vom Wecker von meinem Wecker geweckt. Zum Glück haben wir ein sauberes Waschbecken im Abteil. In Ruhe kann ich meine Sachen packen. Mit allem fertig genieße ich noch kurz die Aussicht. Nicht sehr bequem, da die Kopffreiheit zu Martins Koje lediglich 50 cm beträgt. Der Schaffner öffnet irgendwann ohne zu klopfen unsere Abteiltür und gibt uns die Fahrkarten zurück. Ein willkommener Anlass, Martin und Dennis zu wecken. Nur schwer lassen sich die beiden animieren. Unsere geplante Ankunftszeit rückt näher und auch die Karte auf dem Handy meint, dass wir gut in der Zeit liegen. Aber wir frühstücken erstmal noch schnell die Reste von gestern, Wurst und Käse. Der Ausblick aus dem Zugfenster wird immer großstädtiger. Vorortbahnhöfe mit in der Kälte wartenden Pendler fliegen vorbei. Martin und Dennis haben die Ruhe weg. Leichte Panik bricht aus, als wir im Hbf von Kiew einfahren. Dennis ist immer noch beim Rucksack packen, als der Schaffner schon an die Tür klopft.
Als wir als definitiv Letzte den Zug verlassen, ist die Lok und der Großteil der Wagons schon abgehangen.
Kiew begrüßt uns regnerisch und voller Menschen. Dennis versucht gleich Geld abzuheben und wir warten am Bahnhofsvorplatz, der voller Menschen, Taxis und Busse ist. Die kleinen Linienbusse sind total überfüllt. Wir sind uns noch nicht ganz einig, wie wir zum Hotel kommen, Dennis würde ob des Regens und der Entfernung lieber mit Bus oder Taxi fahren. Martin hat aber eine schöne Route durch den Universitätspark rausgesucht Und da es gerade aufhört zu regnen, entschließen wir uns, die 3 km zum Hotel zu laufen. Durch typische Vorortgebiete mit Hochhäusern und riesigen Fabrikanlagen laufen wir. Der Verkehr ist osteuropäisch, drängeln und Hupen, aber auch ohne Bedenken in zweiter Reihe oder auch auf Fußwegen parken gehört dazu. Wichtig als Fusgänger ist vor allem, mit einem Auge immer nach unten zu schauen. Die Fußwege sind nicht mit unseren deutschen vergleichbar. Voller Stolperfallen und spontan aufgerissener Oberflächen. Hie und da guckt auch mal ein Kabel aus dem Mast oder der Wand. Wahnsinn. Ein bisschen erinnert das an unsere Reise nach Bukarest 2014.
Ein gutes Stündchen später stehen wir am goldenen Tor der Stadt, ein Nachbau aus Konstantinopel.
Wir genießen ein zweites Frühstück in einem Café. Mit WLAN ist jeder sich selbst überlassen und bearbeitet seine Fotos, schreibt Reiseberichte oder den Liebsten. Zum Hotel ist es nun nicht mehr weit. wir sehen jede Menge Fotomotive und halten die natürlich auch fest. Unser Zimmer sind um viertel zwölf so gut wie bezugsfertig. Wir laden unser Gepäck ab und ziehen, nur mit dem Knipser bewaffnet, zum Maidan. Hier fand vor einigen Jahren die blutige Auseinandersetzung statt, die in die Geschichte der Stadt einging. Wir machen einige Fotos und so langsam können wir unser Apartment im Hotel beziehen.
12:00 Uhr
Uwe lässt Tintenfass und Feder ohne Aufsicht, ich (Dennis) nehme es gleich mal an mich.
Frisch geduscht und neu sortiert starten wir den zweiten Teil des Tages. Neun Kilometer Fußmarsch (in Zahlen 9) liegen vor uns, meine Bedenken werden genau wie heute morgen nicht beachtet wir starten unseren kleinen Marathon bei einer immer stärker werdenden Sonne.
Kaum auf den Beinen sind wir an einem feinem Ausblick, wir sind am Platz der Ukrainisch- Russischen Freundschaft. Symbolisiert wird das ganze mit einem Denkmal umrahmt von einem riesigen Bogen der Freundschaft. Ich bin mir zwar nicht sicher, ob der imposante Bogen heute noch für die Mehrheit der Ukrainer spricht, aber mit dem Ausblick über Kiew und den Dnepr bin ich mir sicher das unsere Reiseroute passt.
Mit einer großen Seilrutsche können wir für einen schmalen Taler auf das andere Ufer der Dnepr fliegen, der Hunger und das knappe Budget lassen uns den Klassischen Weg wählen. Der Park hat seine besten Zeiten schon hinter sich, die Wege werden Stück für Stück von der Natur zurück erobert. Wir kommen an der Dnepr an und wagen einen kurzen Blick über den Fluss. Nein, wir gehen nicht rüber auf die Insel mit ihrem feinen Sandstrand, wir entscheiden uns für den ursprünglichen Weg. Viele Pflichtmeter an der viel befahren Straße legen wir zurück. Der Schrittzähler kratzt gerade an der 20.000 Marke als wir nach dem Seltsam wirkenden Fischmarkt eine kleine ukrainische Kneipe entdecken. Wir sind ziemlich ko und unser Hunger begleitet uns schon seit einiger Zeit und so sitzen wir Ruck zuck in diesem kleinen Etablissement. Die Bestellung von drei Bier gestaltet sich ziemlich einfach, ein Gericht aus der umfangreichen Karte zu finden ist ein Glücksspiel. Dank Uwe verlassen wir uns aber nicht auf unser Glück, er hat auf den Restaurantaufstellern Werbung gesehen, dieser fotografiert er kurzer Hand und wir bestellen drei mal Schaschlik mit Kartoffelpuffer.
OK, Kartoffelpuffer kommen nicht bei uns an, dafür aber der wahrscheinlich beste Schaschlik, den ich je gegessen habe. Äußerst zartes Fleisch, freundlicher Weise schon vom Spieß abgezogen, dazu warmes Brot- ein einziger Genuss. Langsam ist es nun Zeit wieder in die Spur zu kommen, wir haben noch ein langes Programm vor uns. Kaum bezahlt bemerken wir kurz darauf unseren Fehler. Wo war der Wodka? Wir bestellen eilig eine kleine Runde zusammen mit kleinem Bier. Alles in allem bezahlen wir zu dritt keine 20€.
Der Weg führt uns weiter entlang der Dnepr, dazu beschert uns die langsam unter gehende Sonne feinste Fotobedingungen. Natürlich die Sonne legt die Sonne auch schonungslos unsern engen Zeitplan offen. Die Mutter- Heimat- Statue zeigt sich stolz auf dem Berg, unser nächstes Ziel. Die Sonne schickt noch kurz die letzten Strahlen und verabschiedet sich hinter der Skyline von Kiew. Wir sind alle begeisterte Hobbyfotografen und knipsen zur blauen Stunde alles was uns vor die Linse kommt, Statue, Panzer, Geschütze usw. In mühevoller Arbeit entsteht auch ein neuer Bildkopf für unsere Webseite, ihr dürft gespannt sein.
Wir verlassen den Park, der sich mittlerweile in schön inszenierten Lichtern zeigt. Unser Kulturplan ist beendet, es geht Richtung Hotel. Unsere Busnummer passt überhaupt nicht mit den hier abfahrenden Busen zusammen. Uwe fragt tollkühn den Fahrer wie wir zum Majdan kommen. Alle rein ist das unmissverständliche Zeichen. Ich stehe wie bestellt und nicht abgeholt mit dem Portmonee in der Hand um die Fahrt zu bezahlen. Ich werde weggeschoben, wir sind eingeladen! An den nächsten Haltestellen steigen Leute ein und geben wie selbstverständlich Geld durch die Sitzreihen bis zum Fahrer. Noch verwundert über dieses unkomplizierte Verfahren werden wir vom Busfahrer und anderen Mitfahrern hinaus gebeten, wir sind an der Haltestelle zur U-Bahn.
Hier fehlt doch was, wir können noch nicht nach Hause. Kurz entschlossen gehen wir ins Porter Pub. Mit süßlichen Bier und Knoblauchbrot klingt der Tag gemütlich aus. Es ist gerade halb zehn, die Bedienung gibt zu verstehen, das bald Feierabend ist. Ein letztes Bier und die Rechnung beenden den Abend hier. Mit der U- Bahn geht’s weiter. Eine Fahrkarte kostet 10UAH pro Person, für uns drei zusammen also 1€. Fahrkarten gibt es am Automaten, nur nimmt dieser meine 50er Banknote nicht an. Es ist mittlerweile kurz nach 22Uhr und tatsächlich ist der Schalter noch besetzt. Hinter ihrem kleinen ovalen Fenster sitzend verkauft sie uns drei Chips ähnlich denen beim Autoscooter. Diese öffnen das Drehkreuz, der Weg ist frei zur verdammt schnell laufenden Rolltreppe. Geht das tief runter, eine elend lange Rolltreppe. Unten angekommen geht es rechts rum und die nächste Rolltreppe erscheint, diese ist um einiges länger als die erste. Schätzungsweise sind wir nun 100 Meter unter Kiew und fahren mit der U- Bahn. Das gleiche Prozedere über zwei schnelle Rolltreppen und wir sind wieder an Deck. Es präsentiert sich ein Blick auf den Majdan, der uns erst mal inne halten lässt. Kreuze, Bilder von getöteten Majdanaktivisten und provisorische Panzersperren. Hier war vor drei Jahren Krieg auf der Straße.
Stück für Stück gehen wir Richtung Majdan, von der Fußgängerbrücke aus präsentiert sich der Platz in voller Bracht. Gut zu sehen die große Uhr im Berghang die die Sehnsucht zur EU symbolisiert.
Der Tag war lang, über einen kleinen Spätverkauf geht’s direkt zum Hotel. Bei eine Flasche ukrainischem Bier schauen wir unsere Schnappschüsse des Tages an, fallen kurz darauf alle ko in die riesigen Betten.
Gute Nacht

