Tag 4: Ankunft in Bukarest

Oh man in diesem Zug habe ich herrlich geschlafen. Das Bett war nicht zu hart. Es gab eine ordentliche Decke und ein sauberes Kissen und die Liege war auch breit genug. Meine zwei Mitreisenden haben wohl nicht so gut geschlafen, was aber nicht an meinem Schnarchen lag.
Der Zug fährt ziemlich langsam und man hört deutlich, dass wir auf uralten Gleisen unterwegs sind. Es fühlt sich an wie früher, als wir mit der Deutschen Reichsbahn verreist sind und es riecht auch immer noch ein bisschen danach. Aber genau das ist der Grund, warum ich diese Reise machen wollte, wegen dem Gefühl, das ich als kleiner Junge immer in der Eisenbahn hatte. Einfach einmalig…
Irgendwann kommt der Schaffner herein, weckt Olivia, unsere rumänische Mitreisende und teilt ihr mit, dass der Zug eine Stunde Verspätung hat. Sie bekommt auch zuerst einen Frühstücksbeutel. Das könnte daran liegen, das sie schon in Braşov austeigen will, was noch 3 Stunden vor Bukarest liegt. Später bekommen auch wir unsere Beutel. Folgendes leckeres Frühstück ist inklusive,
1 Plaste Becher, Kaffeepulver für eine Tasse, ein Päckchen Zucker und, eine Packung Salzstangen. Lecker
Wie sollen wir aber den Kaffee zubereiten? Im Zug gibt es kein Trinkwasser. In unseren Flaschen ist kaltes Wasser. Ich gehe in den Restaurantwagen und frage den Kellner. Der schaut mich ungläubig an und verschwindet in seiner Küche 5 min später kommt er tatsächlich mit einem Glas, sagen wir warmen Wassers, wieder heraus und füllt es in meine Becher. Mit Zucker lässt er sich einigermaßen trinken. Nichts ist wichtiger als ein Kaffee am Morgen. Dennis und Martin gehen später nochmal zum Kellner und kaufen Kaffee. Für 5 € bekommen wir dann 3 Plastebecher mit lauwarmen Instantkaffee.
In Braşov verabschieden wir uns von Olivia. Sie hat jetzt 4 Wochen Heimaturlaub.
Weiter geht die Fahrt auf holprigen Gleisen. Als Dennis und ich vor mittlerweile 4 Jahren schon einmal mit den Motorrädern in Rumänien waren, sind wir auch durch Braşov gefahren und ich kann mich noch gut an die Berge und vor allem die Kurven hinter Braşov erinnern.
Diese Erinnerung kommt, als wir Braşov verlassen haben und durch ein Gebirge stapfen. Herrliche Berge, schöne kleine Dörfchen, man könnte fast denken, man ist in den Alpen unterwegs. Nur hier und da sieht man mal alte, klapprige Kisten, die sich über Buckel Pisten quälen. Ab und zu kommt auch mal eine Roma Siedlung ins Blickfeld, die meist nur aus zusammengeschusterten Brettern bestehen und in denen sich irgendwie besonders viel Müll sammelt. Frauen mit Kopftüchern laufen umher, kleine Kinder springen rum und spielen in dem Müll…
So langsam wird das Land wieder flacher und es ändern sich auch die Dörfer. Nun sieht man diese typischen, kleinen rumänischen Bauernhöfe, meist ein Maisfeld im Vorgarten und einen Nutzgarten hinten dran, aber durchaus auch hier und da schöne Blumen. Die Dächer sind meist aus Stahlblech und man sieht immer sehr viele Flicken. Hier und da ist auch mal ein Pferdefuhrwerk zu sehen.  Man fühlt sich auch hier so ein wenig in die alte Zeit vor 1989 versetzt. Vieles an den Häusern wirkt improvisiert. Auch die Straßen und öffentlichen Einrichtungen sind eher in einem stark gebrauchten Zustand.
Mit einer Stunde Verspätung erreichen wir den Bahnhof von Bukarest. Wir steigen aus und das erste was mir auffällt, es wirkt wie auf einem türkischen Basar. Alles bunt und voll. An jeder Ecke sprechen uns Leute an und wollen uns ein Taxi anbieten oder andere Sachen. Wir ignorieren erstmal alle Anfragen und Hinweise auch wenn sicher nicht alle schlecht sind und verlassen den Bahnhof. BUKAREST, viele Häuser sind mit Werbeplakaten zugehangen. Dahinter verbergen sich manchmal Ruinen. Es gibt aber auch gepflegte alte Häuser und überall Neubaublöcke. Wir müssen ungefähr 600m zu Fuß zu unserem Hotel laufen. Durch eine kleine Flachbebaute Gegend, die ziemlich runtergekommen aussieht. Überall steht Sperrmüll auf der Straße und die Fußwege sind hoffnungslos zugeparkt. Hier soll unser Hotel sein? Irgendwann sehen wir ein großes Tor und darüber steht auf einem Schild in großen Buchstaben Orchidea Palace, der Name unseres Hotels.  Leider sieht es hinter dem Schild nicht nach Orchideen, geschweige denn nach einem Palast aus. Es ist eher ein abgewracktes Gewerbegebiet auf dem ein paar Ruinen rumstehen und alte Lagerhäuser. Es herrscht reger Staplerverkehr. Im Hintergrund erheben sich drei riesige Türme vorher müssen wir noch eine Schranke mit einer Pförtnerin passieren. Endlich sieht es gepflegter aus. Einer der riesigen Türme erhebt sich vor uns. Unser Hotel. In der Lobby werden wir freundlich begrüßt von Alexandra. Schnell bekommen wir unsere Suite zugewiesen. Alles ist sehr schick und modern eingerichtet. Wir fahren mit dem Lift in die achte Etage. Im topmodernen Lift mit Touchdisplay ist oben die Abdeckung der Leuchte defekt. Zur Sicherheit wurde offensichtlich ein Trockenbaudübel zwischen Glas und Rand gesteckt. Genauso gut hätte es auch ein Stück Pappe getan. Wir sind halt in einem Luxushotel, aber in Rumänien. Alles funktioniert, irgendwie.
Als wir die Tür zu unserem Apartment öffnen, trifft uns fast der Schlag. Ein kleiner Saal tut sich vor uns auf und im Hintergrund die Skyline von Bukarest. Eine riesige Wohnlandschaft mit Fernseher, großer Couch, Bartisch und Küche füllen den Raum ein wenig. Es schließen sich zwei große Schlafzimmer mit jeweils einem Bad an. Das eine hat eine Whirlpool, das andere eine Massagedusche, Wahnsinn. Vom Schlafzimmer geht es auf den großen Balkon. Hier könnte man es aushalten, auch ohne das Hotel zu verlassen. Das ist natürlich nicht unser Plan, aber nach der langen Zugfahrt gönnen wir uns doch ein Blubberbad bzw. eine massagedusche. Wobei ich sagen muss, dass mir das Blubberbad besser gefällt. Nach dem Bade schmieden wir unsere Pläne für den Nachmittag. Wir müssen uns auf alle Fälle um eine Transportgelegenheit nach Istanbul kümmern. Kurzerhand rufen wir bei Eurolines Bukarest an, ein Busunternehmen, und es ist tatsächlich möglich, ein Ticket für Mittwoch nach Istanbul zu bekommen. Wir müssten es nur in einer Filiale, die sie uns per SMS schickt, morgen abholen.
Es ist bereits 16 Uhr, als wir uns zu Fuß aufmachen um zunächst einen Geldautomaten und später ein Taxi zu bekommen. Beides klappt hervorragend. Olivia aus dem Zug hatte uns empfohlen, mit dem Taxifahrer vorher einen Preis auszumachen aber nicht mehr als 15 bis 20 Lei. Wir fangen unten an und sagen 15 Lei (ungefähr 4 €). Der Taxifahrer fährt zügig und am Ende stehen auf seiner Uhr 8.45 Lei. Wir zahlen natürlich 15 Lei. Also achten wir in Zukunft darauf, dass das Taxameter eingeschaltet ist. Das hatte Olivia auch noch gemeint. Wir schlendern und erstmal durch das Leipziger Viertel, welches auf das 16. Jhd. zurückgeht, als Siebenbürger hier Waren der Leipziger Messe verkauften. Dies ist das Szeneviertel in Bukarest. Eine Gaststätte reiht sich an die nächste.  Viele alte Häuser, kleine Ateliers und Kunstbasare sind zu sehen. Manche Häuser beherbergen im Erdgeschoss ein wunderschönes Restaurant und das Haus darüber fällt fast zusammen. Viele Balkone säumen die Straßen. Von einigen bröckelt nur der Putz manchmal fehlen Teile der Brüstung oder, gerade Balkone aus Eisen sind so durchgerostet, dass sich keine Katze darauf wagen würde. Aber auch viele Blumen, meist Geranien schmücken die Balkone. Wir essen bei einem Italiener ein Bruscetta und stillen so den kleinen Appetit zwischendurch. WLAN sei Dank, entdecken wir im Netz der Netze eine Filiale von Eurolines ganz in der Nähe. Etwas routinierter winken wir ein Taxi heran. Der Fahrer verzieht bei der Nennung des Ziels keine Miene, kann uns aber auch nicht den Preis nennen, was es ungefähr kostet. Wir fahren ca. 20 Min und werden vor der Filiale von Eurolines rausgelassen. 7 Lei kostet die Fahrt. Ich zahle mit einem 10 Lei schein. Der Fahrer hat angeblich kein Wechselgeld. Kann ich mir kaum vorstellen aber natürlich besteht er auf sein Geld. Es geht natürlich nicht um die 75 Cent, die wir mehr bezahlen. Es geht um die Dreistigkeit, wie er uns abzockt. Es kommt später aber noch besser…
Im Reisebüro buchen wir problemlos die Tickets nach Istanbul. 40€ zahlen wir für den Trip pro Person. Endlich ist unsere Reise komplettiert. Bis jetzt hatte ich immer ein gewisses Unbehagen im Hinterkopf. Nun ist alles gut.
Wir laufen die breite Ausfallstraße wieder ein Stück zurück in die Altstadt. Die Straße ist Wahnsinn. Zugegeben es ist Berufsverkehr aber so viele Autos… Ein Polizist regelt mit seiner Pfeife routiniert den Verkehr. Ich denke mir, man muss für so einen Job geboren sein. Ein dickes Fell haben und sehr bewegliche Handgelenke, wenn er so die Autos heranwinkt. Gespannt beobachten wir eine Zeitlang den Polizisten. Die kurzen, hellen Pfiffe begleiten uns noch ein Stück auf unserm weitern Weg. So langsam müssen wir Drei mal auf die Toilette. Eine tschechische Kneipe lockt mit sauberen Toiletten. Wir erleichtern uns und beschließen spontan ein Bier zu trinken, wenn wir schon aufs Klo durften. Die Kneipe überrascht uns. Ziemlich groß, es gibt aber nur eine Kellnerin, die uns zu unserem Tisch geleitet. Ein Zapfhahn guckt in der Mitte aus dem Tisch heraus. Das ist was für uns. Bier selbst zapfen. Die nette Kellnerin erklärt uns, wie es funktioniert. Ein Display über dem Zapfhahn zeigt die gezapfte Menge an und zeigt eine Speisekarte die quasi online geordert werden kann. Auch Musikwünsche können erfüllt werden. Dafür sorgt ein umfangreiches Musik Programm auf demselben Display. Für 1 Lei
kann man sich jeden Song anhören und die Auswahl ist praktisch unbegrenzt, auch viele dt. Gassenhauer Sind dabei. Wir werden hier also ein paar Bier trinken und Abend essen.  Es ist eh schon gegen Sieben und Sightseeing ist vorbei. Es gibt Lamm in Senfkruste mit Kräuterkartoffeln. Nicht typisch rumänisch aber doch lecker.
Da wir noch eine Kneipe in der Altstadt aufsuchen wollen, die wir am Nachmittag entdeckt hatten, zahlen wir alsbald und nehmen ein Taxi zurück. Der Taxifahrer, ein junger Mann schaut uns ungläubig an, als wir unser Reiseziel nennen. Das ist hier sagt er. Wir können es nicht fassen. Sind wir doch nach dem Reisebüro schätzungsweise 500 m gelaufen, nachdem wir 20 Min mit dem Taxi gefahren sind. Wir lassen uns trotzdem ein Stück fahren und bezahlen 3 Lei und geben 5. Der Taxifahrer vorhin hat uns quasi 2-mal übers Ohr gehauen. Einmal beim Wechselgeld und einmal bei der Strecke, die er unnötig in die Länge gezogen hat.
Wir gehen in eine kleine Bar in der die Wände aus Regalen bestehen in denen haufenweise Bücher stehen, Buch Attrappen wie sich später noch herausstellt. Wir trinken einen Absacker und beobachten die Menschen in der Bar. Interessantes Publikum. Irgendwann wird die Musik laut gedreht. Bin ich zu alt? Auf jeden Fall kommt es mir zu laut vor. Wir trinken langsam aus und freuen uns auf unsere erste Nacht im Luxusapartment.  Gute Nacht!

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