Geschrieben von Uwe
Tag 4 – ни когда не говори ни когда
Unser letzter Tag in Minsk beginnt kalt. Auf der Wetter App stehen gefühlte 2 Grad.
Am Frühstückstisch ist es voller als gestern, wir sind ja auch eine Stunde früher da. Es ist aber nicht so, dass zu viele Gäste da wären, die Fachkraft am Tresen ist schlichtweg überfordert mit ihrem Job. Hinzu kommt, dass der Kaffeeautomat kaputt ist und nun braucht die Dame endgültig Unterstützung. Bei der hinzu geeilten Kellnerin können wir auch endlich Saft bestellen, den es hier nur gegen Bares gibt. Inhaltlich ist das Frühstück gleich geblieben. Das Spiegelei ist diesmal ohne Brot, trotzdem ist alles lecker.
Wir nehmen wieder den Bus und zufällig auch denselben Busfahrer. Diesmal sind wir besser vorbereitet und warten mit dem passenden Fahrpreis auf. Am Bahnhof lassen wir unsere Rucksäcke einschließen. Die Halle versprüht einen gewissen DDR-Charme. Auch das Procedere ist so. Erst am Schalter ein Ticket kaufen, dann zum nächsten und die Koffer abgeben. Es gibt hier ein schier unbegrenztes Angebot an Arbeitsplätzen. Da gibt es einen Schalter vor der Toilette, an dem jemand sitzt und kassiert. Auf der Straße sind immer wieder Straßenkehrer mit dem Besen unterwegs, die sogar Laub zusammen harken.
Wenig später treffen wir uns mit Nastya. Heute möchte sie uns die Altstadt zeigen. Hier gibt es tatsächlich auch niedrige Häuser abseits der ganzen riesigen Prachtbauten. Die sind alle hübsch saniert und sehen toll aus, Ein Denkmal ziert den Platz. Aus der Inschrift geht hervor, dass mit Übernahme des Magdeburger Rechts ein regelrechter Boom in Minsk begann. In diesem Recht geht es um die Einführung des metrischen Systems. Nastya zeigt uns auch das Rathaus. Leider ist das nur von außen zu besichtigen. Wir suchen uns ein schönes kleines Café und genießen den Altstadtflair. Im Gespräch mit Nastya erfahren wir beiläufig, dass sie rosarote Rosen mag.
Sie erklärt uns auch, warum am Bahnhof so viele Blumenläden waren. Weißrussische Frauen lieben es, des Öfteren von ihren Männern mit Blumen überrascht zu werden.
Sie macht sich ein paar Gedanken, dass es uns eventuell heute nicht so gefallen könnte. Wir sind immer noch begeistert, wie wir solches Glück haben konnten. Ohne Nastya hätten wir Minsk sicherlich auch kennengelernt. Aber nicht auf diese ehrliche und herzliche Art und Weise.
Wir kaufen noch ein paar Souvenirs von Minsk und machen dann einen Spaziergang an einem Fluss entlang, dessen Name mir leider entfallen ist. Auf der anderen Seite des Flusses ist die Wodkafabrik Weißrusslands. Hier wird Crystal-Wodka hergestellt. Wir beobachten mehrere Männer, die sich in kleinen Gruppen unterhalten und immer mal wieder ein Schlückchen Wodka nehmen.
In der Ferne sieht man auch ein Stadion. Nastya erklärt, dass hier Motoball gespielt wird. Eine Art Radball nur auf dem Speedway-Motorrad. In Deutschland ja eher unbekannt bis unpopulär, hier eine gefeierte Sportart.
Nun geht es langsam wieder Richtung Bahnhof. Ich freue mich total auf Moskau, bin aber auch ein bisschen traurig, dass uns dann die Reisebegleitung fehlt. Ich denke, wie mir geht Allen so. In einem Einkaufszentrum beim Bahnhof trinken wir gemeinsam einen letzten Kaffee. Martin stiehlt sich kurz davon und kommt, wie abgesprochen, mit einem Strauß rosaroter Rosen zurück. Nastya ist total überrascht, freut sich aber riesig und kann es irgendwie kaum glauben. Wir sind zufrieden. So langsam wird es dunkel und wir müssen zum Bahnhof. Eine letzte Zigarette, eine letztes Mal drücken und schon stehen wir im Zug und winken nach draußen. Quälende Minuten stehen wir da, bevor sich der Zug endlich in Bewegung setzt. Tschüss Nastya. Vielleicht sehen wir uns ja alle mal wieder. Never say never.
Endlich im Zug, lassen wir Minsk an uns vorbeiziehen. Unsere Schlafwagen sind besonders schick. Alles ist schön eingerichtet und sauber. Beim Einsteigen gab es noch kurz Probleme mit dem Ticket, weil die Schaffnerin kein Deutsch konnte. Für jeden Wagen steht eine Schaffnerin bereit. Nach fünfzehn Minuten Fahrt stehen bereits drei bei uns im Abteil und wollen uns gleichzeitig warmen Tee, jedes Abteil hat eine Art Samowar für heißes Wasser, Salami, Würstchen und Käse verkaufen. Wir waren aber noch in Minsk im Supermarkt gewesen und haben mit Nastya Hilfe Lebensmittel für die Fahrt gekauft. So beschränken wir uns auf den Tee der auch gleich in tollen Krügen serviert wird. Unsere Tickets wurden uns wieder abgenommen, mal sehen, ob wir sie heute wiederbekommen. Nach Tee und leckeren Weißrussischem Bier aus der Dose besuchen wir mal den Speisewagen. Mittlerweile können wir auch mit russischen Rubel bezahlen. Aber auch unsere Euro werden noch gern genommen. Wir bestellen natürlich Bier und eine herrliche Soljanka. Die ist sehr heiß. So heiß, dass ich mir gleich die Zunge verbrenne und mit Bier kühlen muss. Zum Rauchen darf man hier auf die Plattform zwischen den Waggons. Ein Aschenbecher aus guten alten Bahnzeiten hängt auch da. So klappt die Rundumversorgung. Soviel Bier muss natürlich irgendwann wieder raus. Hier kann man es noch ganz gepflegt auf die Schiene plätschern lassen, natürlich nicht im Bahnhof!
Als wir uns langsam zum Abteil zurück bewegen, sehen wir draußen russische Grenzsoldaten stehen. Wir fragen unsere Schaffnerin, ob sie sie für uns fragen kann, ob wir gemeinsam ein Foto machen wollen. Sie traut sich nicht, und so muss sie herhalten.
Kontrolliert wurden wir heute irgendwie gar nicht. Als wir zurück im Abteil sind, sitzt Dennis schon mit unserem Schlafgast zusammen. Der junge Mittzwanziger arbeitet hier in Smolensk für Siemens und ist nun auf dem Weg nach Moskau und dann weiter nach St. Petersburg. Wie sich noch rausstellen wird ist er auch ganz schön trinkfest.
Aber ich bin heute völlig k.o. mit verbrannter und später intensiv gekühlter Zunge. So krieche ich freiwillig in eine der oberen Kojen. Noch 6 Stunden bis zur Ankunft in Moskau….

