07_Donnerstag

Die Nacht war warm. Kein morgendlicher Tau und auch sonst keine Anzeichen auf einen frischen Morgen. Sto Gramm Palinka am Abend und früh 8Uhr schon diese drückende Hitze. Der Marschplan ist klar: Frühstück, Zeltabbau und so schnell wie möglich diesen Brutkasten verlassen. Unser einziges Glück in diesen heißen Morgenstunden ist ein unscheinbarer Baum neben unserem Zelt. In dessen Schatten können wir unser Frühstück genießen. Nachdem die Zelte abgebaut sind, zieht es Uwe und mich noch mal unter die kalte Dusche. Als wir endlich starten ist mir schon etwas wehmütig zumute, geht es doch heute in Richtung Norden, nach Satu Mare und damit auch dem Urlaubsende entgegen. Fast wie in Trance spule ich bei heißen Temperaturen die ersten 50km ab. Zwar ist mal wieder ein großer Teil davon Sandpiste, in große Aufregung versetzten diese Wege aber keinen mehr. Klar zu erkennen an den ausbleibenden Fotostopps, wie sie an den Anfangstagen unserer Reise gang und gäbe waren.

Beim ersten Tankstopp trennen wir uns von Micha.

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Auf ihn wartet am Samstag eine Hochzeit, auf der er unbedingt pünktlich erscheinen möchte. Selbst 1200 km auf dem Motorrad stellen da keine Hürde dar. Der ansonsten für Ruhe bekannte Micha will sich nicht auf eine Heimfahrt in unserem bequemen Transporter verlassen. 

Langsam verlassen wir nun mit den verbliebenen drei Motorrädern Siebenbürgen in Richtung Westen. Im Laufe des Tages streifen wir aber immer wieder dieses Gebiet. Man erkennt diese Gegend gut an den gepflegten Häusern und den besseren Straßen. Die von Uwe gewählte Straße wird langsam immer kleiner und schmaler. Dafür ist sie asphaltiert und von bester Qualität. Für mich als letzten Mann in der Truppe halten wir grundlos auf dieser Strecke an. Uwe spricht folgende Worte: „Wir fahren hier ins Nirgendwo, vor ein paar hundert Metern muss ein Abzweig gewesen sein!“. Hat die Sonne ihm geschadet? Links und rechts nur Felder und Uwe sucht nach einem Abzweig. Was soll´s, rumdrehen und hundert Meter fahren, hier ist ein Abzweig! Nix mit Sonnenschaden, ich habe Uwe unterschätzt. Trotzdem hallen Uwes Worte in meinen Ohren- Wir fahren hier ins Nirgendwo! Nun befahren wir bei über 32°C eine Hochebene, welche gerade noch so Motorradtauglich ist. Schwer ausgefahrene Spurrinnen sind bei nachlassender Konzentration immer schwerer zu beherrschen. Unerwartet bleibt Uwe auf dieser schattenfreien Ebene für eine kurze Rast stehen. Ich suche auf diesem Feld nach einem geeigneten Standplatz, finde aber absolut nix geeignetes und beschließe die Pause sitzend auf dem Motorrad zu verbringen. 

Matthias Abstellplatz ist unglücklich gewählt, beim absteigen touchiert er seine Gepäckrolle und sein Motorrad kippt! Erst kurz vor dem Bodenkontakt kann er die Maschine aufhalten. Uwe eilt ihm sofort zu Hilfe. Sitzend auf meinem Motorrad kann ich leider nicht helfen, ohne mein Motorrad auf das von der Sonne erhitze Feld zu werfen. 

An der KLR bricht eine kleine Nase am linken Schalterelement. Matthias bleibt trotz des kleinen Schadens gelassen. Was Ihm mehr Sorgen bereitet, sind die Hochspannungsmasten. Er gibt zu bedenken, dass wir uns unter ihnen aufladen. Mit meinen Elektrotechnikwissen kann ich mir das zwar nicht erklären, aber besonders sympathisch ist mir das knistern auch nicht. Wir entscheiden uns schnell weiter zu fahren, um dann an geeigneteren Stelle zu pausieren. Ein paar hundert Meter später finden wir im Schatten einiger Bäume einen Pausenplatz. Mit etwas ISO- Band können wir die KLR reparieren. Die Weiterfahrt ist gezeichnet von höchsten Temperaturen, anspruchslosen Straßen und staubigen Stadtdurchfahrten. Die Außentemperaturanzeige meiner GS kennt nur eine Richtung. Keiner meiner Mitfahrer möchte mehr eine Info über die aktuelle Temperatur. Ist Hitze besser zu ertragen, wenn man nicht weiß wie heiß es ist?? Meine Gedanken sind immer wieder bei Micha, der bei diesen Temperaturen auf der Autobahn und durch Millionenstädte fahren muss. Die Abendstunden näheren sich und wir fahren parallel zu einem Fluss in die Westkarpaten ein. Die Temperaturen gehen unter die 30° Marke. Schön! Und dazu endlich wieder Kurven.

Genau zur richtigen Zeit erreichen wir einen schön gelegenen Campingplatz. Dieser Platz wird von einem alten Rumänen geführt, der uns mit seiner Riesenbrille und fleckigem, ehemals weißem Unterhemd und Shorts empfängt. Er ist freundlich und zeigt sich sehr interessiert an unseren Bikes. Auf unsere Frage hin, warum er so fließend deutsch sprechen kann, teilt er uns mit, dass er mit 20 Jahren nach Deutschland ausgewandert sei. Nun ist er mit seinem Wohnmobil und Wohnanhänger zurück und wird hier bleiben. Bevor wir uns entschließen können zu bleiben, checken wir aus Erfahrung erst mal die sanitären Einrichtungen. Wir erblicken nicht nur ausreichend gepflegte und gekachelte Räume, sondern auch das Wohnmobil samt Anhänger eingebaut im Haus. Es steht quasi im Flur zwischen Bad und Küche!

Auf dem beschaulichen Campingplatz ist nicht viel los. Drei deutsche Pärchen, allesamt Rucksacktouris und Bullifahrer. Zum Abendessen laufen wir ein Stück ins Dorf. Unser Zeltplatzwart kommt mit seinem Motorrad hinterher gefahren und hilft uns beim Bestellen im Restaurant. Danach holt er für uns noch Bier vom Kiosk. 

Auf die Frage, ob er mit uns ein Bier im Restaurant trinken möchte, verneint er mit dem Verweis, dass er Bier nur am Morgen trinkt. Er fährt in seinen kurzen Hosen und Unterhemd, dafür ohne Helm zurück zum Zeltplatz. Die Bierbüchsen legt er in unser Vorzelt. Unsere Menüauswahl ist geprägt von Uwe und Matthias. Uwe will mit Maisbrei ein typisches Gericht der Schafhirten probieren und Matthias hat mal wieder Lust auf ein Hähnchensteak. Dazu gibt es Fetakäse und Saure Sahne. Den beiden schmeckt es. Ein Absacker darf nicht fehlen und so bestellen wir routiniert „fifty gramm“ bei der netten Bedienung. Der Palinka ist unser letztes alkoholisches Getränk in Rumänien. Auf unserem Heimweg zum Zeltplatz brechen unsere Stirnlampen das Dunkel der Nacht. Eine Straßenbeleuchtung ist meist nicht vorhanden oder geht immer wieder aus. Optimistisch in der Hoffnung auf einen erholsamen Schlaf bleiben die Bierbüchsen unversehrt.