06_Mittwoch

Unser Mittwoch beginnt mit dem gewohnten Frühstücksritual. Alle die es aushalten können, gehen dem Standklo aus dem Weg. Das Warten wird belohnt, als sich endlich die Tür zum Spätverkauf öffnet. Da sich meine Verhandlung vom Vortag nur auf das abendliche duschen bezogen hatte, gehen wir nun mit einem illegalen Gefühl ins Badezimmer. Alle Geschäfte sind erledigt, die Zelte abgebaut und die Mopeds beladen, wir starten bei sommerlichen Temperaturen! Bewaffnet mit der Kamera am Lenker fahren wir nun nochmal durch das wunderschöne Felsental vom Vorabend. Ein paar Kühe wollen um jeden Preis mit auf den Film und versperren uns die Straße. 

Nach vielen staubigen Pisten erreichen wir eine größere Stadt. Heute sollen nun endlich Postkarten für die Lieben daheim gekauft werden. Es ist in Rumänien nur sehr schwer möglich, Souvenirs oder ähnliches zu kaufen. Der Tourismus ist bis auf wenige Stellen schlecht ausgebaut. Uwe, Matthias und Micha machen sich auf die Suche nach Postkarten. Ich halte es für besser, die Motorräder zu bewachen und pflege mit einer Aspirin meine Biergrippe. 15 Minuten später sitzen wir inklusive Postkarten auf den Bikes  und verlassen die Stadt. Gleich folgt eine steile und schwer mit Schlaglöchern bestückte Passstraße. Oben angekommen erwartet uns ein riesiger Bergsee mit herrlichem Ausblick. Bei diesem Anblick fällt mir sofort unsere Tourenplanung zu Hause ein. Ich musste damals Uwe schon überreden, diese Straße zum See zu fahren. Bei Google Maps sahen die Straßen nicht sehr vertrauenswürdig aus. Um den See selber führen zwei Straßen. Auf der Straße rechts vorbei kann jeder fahren, links sollte dies laut Google Maps nur sehr schwer möglich sein.  

Ich tausche mich mit Uwe aus und unsere Entscheidung steht: Wir fahren links um den See. Durch einen ca. 100 Meter in Stein gehauenen und mit vielen Pfützen bestückten Tunnel starten wir zur „Südumfahrung“. Ein paar Meter Waldweg haben wir hinter uns, da entschließen wir uns für eine Mittagspause. Uwe kümmert sich mit Matthias um die Spureinstellung seines Hinterrades. Micha kocht uns eine leckere Kartoffelsuppe und ich gebe liegend auf der Armeedecke ein paar „helfende“ Kommentare ab. Die Suppe schmeckt vorzüglich und passt geschmacklich sehr zu dem von Uwe gekauften Salzgebäck. 

Langsam starten wir nun auf unsere gewählte Abenteuerstrecke. Matthias lässt sich auf keine „Bremsen“ vor ihm ein und startet als Erster, Micha folgt an zweiter Stelle. Uwe will unbedingt als letzter fahren. Ich starte also und überlege mir rutschend auf dem teilweise sehr matschigen Waldboden, dass ich in regelmäßigen Abständen auf Uwe warte. Die Abstände lasse ich mir indirekt von Micha vorgeben. Immer wenn zu ihm aufschließe, warte ich auf Uwe. Micha wird später sagen, ich war wie ein Geist- mal kurz da und dann auch gleich wieder weg. Da sich die Wartezeiten auf Uwe immer mehr verkürzen und ich auch immer schneller auf Micha auffahre, beschließen wir, zwischendurch kurze Pausen zu machen. Von Kilometer zu Kilometer stellt sich bei mir ein besseres Fahrgefühl ein. In den Kurven gelingen kontrollierte Triffts und der Geradeauslauf funktioniert tadellos. Uwe scheint es mit seiner CBF ähnlich zu gehen. Unglaublich für mich, wie dieses Motorrad fernab jeglicher Straße voran kommt. Uwe behindert scheinbar nicht der abgefahrene Reifen, sondern nur die geringe Bodenfreiheit. Die ganze Strecke ist sehr anspruchsvoll, verwöhnt aber auch immer wieder mit fantastischen Aussichten auf den Bergsee. Forstarbeiter grüßen freundlich und beim Vorbeifahren an einem wilden Zeltplatz sind uns alle Blicke sicher. Nur weil es Matthias so will, treffen wir uns zwischendurch alle noch mal zum Fotostopp. Mit seiner KLR ist er hier voll in seinem Element, bleibt er nicht stehen, wird er auch nicht gesehen.

20 Kilometer Offroad münden nun auf einer kurvenreichen schlaglochfreien Straße. Das Profil unserer Reifen ist in Windeseile wieder frei. Uwe verlässt den letzten Platz und beweist die gute Eignung seiner Maschine für Bergstraßen. Ich lasse mich auch nicht weiter bremsen und folge Uwe. Einfach spitze ist es hier, ich fühle mich wie auf feinsten Strecken in Italien. Geile Schräglagen, Beschleunigen, Bremsen- alles in allem schönstes Motorrad fahren!

Matthias ist nun Leistungsmäßig schwer unterlegen. Wahrscheinlich muss er dreimal so oft Schalten, wie wir. In diesem Momenten des Dauerschalten und Ohrenwackeln (Handprotektoren bei niedriger Drehzahl) der KLR will ich keinesfalls der Helm von Matthias sein. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird hier jetzt laut geflucht :-). Micha genießt eher die Landschaft als die feine Streckenführung.

So stehe ich nun mit Uwe nach ca. 70km Wahnsinn am Alimantara Magazin.

Wir kaufen erst mal ordentlich Energie ein. Coca Cola und Waffeln für alle. Wir verlassen das Geschäft, und schon kommen Micha und Matthias. Eine gepflegte Pause auf einer Bank im Zentrum des Dorfes lässt uns das Erlebte gemeinsam verarbeiten.  Der Tag geht langsam auf sein Ende zu und so fahren wir unter den Augen der Dorfkinder weiter. Ein paar Kilometer später stehen wir nun an einem Abzweig zu einem Campingplatz. Meine Freude ist groß, da meine Energie nach den letzten intensiven Fahrten ziemlich am Ende ist. Eine kurze Beratung der beiden Navigatoren und wir fahren weiter. Ja wir fahren weiter! Haben sie das Zeltplatzschild nicht gesehen? Ich fahre wie immer hinterher und hoffe schwer auf die Kompetenz von Uwe und Micha. Wir fahren über eine sehr belebte Landstraße in ein romantisches gut gepflegtes Dorf. In den engen verwinkelten Gassen ist der Almabtrieb gerade in vollem Gange. Komisches Gefühl mit dem Moped da durch zu fahren. Habe ich vielleicht mein rotes Handtuch über dem Lenker hängen gelassen? Kühe haben meiner Erfahrung nach eine sehr langsame Reaktionszeit. Erst wenn drei Motorräder vorbei sind bewegen sie sich. Motorrad Nummer 4 bin ich. Ich versuche aus diesem Grund unsere Kolone sehr kurz zu halten. 

Als wir das schicke Dorf wieder verlassen, fällt es sogar mir auf. Wir sind wieder auf der vielbefahrenen Landstraße, zurück in Richtung Campingplatz. Und tatsächlich fahren wir zu dem Campingplatz. Uwe hatte vorhin noch ein „Stück“ Strecke im Navi und die wollte er sicherheitshalber noch abfahren. Verrückt, aber durch die sehr lohnenswerte Dorfdurchfahrt bin ich trotz Erschöpfung nicht traurig über Uwes Entscheidung.

Der Zeltplatz ist im Gebiet der Siebenbürgen, hier wird jeder Ortsname auch in Deutsch ausgeschrieben. Auch der Campingplatzbetreiber ein Deutscher. Nach dem Zeltaufbau geht es in eine kleine Kneipe zum Abendessen. Die zwei Bedienungen/ Köchinnen denken gerade an Feierabend, als wir um die Ecke kommen. Wir dürfen uns setzten, und sie ziehen sich ihre Kochschürze wieder über. Wir bestellen sozialer Weise alle dasselbe, einen Salat und ein Steak mit Pommes. Beim Warten auf unser Essen wird nicht viel gesprochen. Alle sind dabei die gekauften Postkarten zu füllen. Nachdem alle Karten geschrieben und alle Steaks vertilgt sind, bestellen wir uns einen Schnaps. Wir präzisieren die Bestellung und fragen nach einem landestypischen Schnaps. Die durchaus hübsche Bedienung sagt etwas kess: „Ja, das ist DER“. Fragezeichen in meinem Kopf…., was solls, die Größe muss noch bestimmt werden. Auf die Größenfrage bietet sie uns „sto gramm“ an. Wir nicken brav. Kurz darauf kommt sie mit 4x 0,1l Palinka zu uns. Sto Gramm sind also 100 g. Wieder was gelernt. Ich werde langsam lustig und müde. Die beiden Damen machen langsam Feierabend und der vor 20 Minuten gekommene Chef gesellt sich noch etwas an unseren Tisch. Ein typisches Kneipengespräch in mehreren Sprachen, so gefällt mir das. Langsam hatte dann auch der Chef die Nase voll, und schickt uns nach Hause. Bevor wir aber gehen dürfen, rennt er noch mal kurz hinter das Haus und kommt mit einer Wasserflasche voll Palinka zurück! Das nenne ich mal einen netten Rauswurf. Auf dem Zeltplatz kosten Micha und Uwe vom hoffentlich leckeren Getränk. Sie befinden es für gut und behalten dabei auch Ihre Sehkraft….

Gute Nacht!  

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