05_Dienstag

Beim Aufwachen im Einzelzimmer fehlt das gewohnte taube Gefühl im Kopf. Es war also eine gute Nacht! Uwe lag nicht neben mir und so konnte ich getrost auf die obligatorischen Ohropax verzichten. Gut oder sogar sehr gut ist auch der Frühstückstisch gedeckt. Hier ist für jeden was dabei. 

Nach einem fast schon emotionalen Abschied inklusive Gruppenfoto sind wir wieder auf der Piste.

Hauptattraktion soll heute Zarnesti werden. Zarnesti ist die Partnerstadt meiner Heimat Markkleeberg. 150 km trennen uns von diesem Ziel. Unterwegs zeigen sich immer mehr dunkle Regenwolken. Nasse Straßen und eine schwarze Wand lassen uns schließlich schwach werden. Die Regensachen werden ausgegraben, Uwe und Micha waren mit ihren Gore Tex Sachen fein raus. Ich streife mir widerwillig meine Gummihose übers Leder. Noch schlechter ergeht es Matthias, er legt einen kompletten Overall an. Diese „Überstreifsachen“ haben die unangenehme Eigenschaft, dass man in ihnen sehr schnell schwitzt. Begünstigt wird das wesentlich durch warme Temperaturen. Wir fahren also laut Uwes Aussage in Richtung Regen. Meine Empfindungen sind eindeutig anderer Natur. Die Temperatur steigt und steigt und vom Regen weit und breit keine Spur. Matthias´ Freude darüber hält sich wie bei mir sehr in Grenzen. Kein Regen, aber aufgrund der Temperaturen trotzdem nass. Nach einigen Kilometern stoppt Uwe am Straßenrand und wir können uns endlich wieder vom Gummikleid entledigen. Ein paar befreiende Worte des Unmutes von Matthias muss Uwe über sich ergehen lassen. Ich genieße die Show und verpacke meinen Kram. 

Wir nähern uns Brasov, eine Stadt mit über 200.000 Einwohnern. Entsprechend lange dauert unsere Durchfahrt. An den Ampeln bleibt mir genügend Zeit, die architektonischen Grausamkeiten zu begutachten und die Stadt auf mich wirken zu lassen. Alte Häuser im schlechten „Grünau- Stil“, laute Bauarbeiten an den Straßen. Dazu noch eine Menge Autos, die sich an den Ampeln stauen. Aufgrund Uwes Navigation verlassen wir auch in Brasov die Hauptverkehrsstraßen. Daher können wir auch Hinterhöfe und Garagenkomplexe begutachten.

Da sieht es dann schon besser aus. Noch einmal verfahren im Kreisverkehr und dann an einer unmöglichen Stelle links abbiegen, schon sind wir raus aus der Stadt. Sofort folgt eine nette Bergfahrt. Der nächste Parkplatz gehört uns. Beim Auffüllen unseres Wasserhaushaltes können wir einen Blick über Brasov genießen.

Warum schreibe ich über Brasov, wenn wir doch nach Zarnesti wollen? Leider ganz einfach, Zarnesti ist eine hässliche Stadt. Ich frage mich beim Durchfahren immer wieder, wie Markkleeberg zu dieser Partnerstadt gekommen ist! Nur „Neubauten“ an der Hauptstraße und absolut charakterlos. Highlights sind der Lidl- Markt und 4 Postkarten aus dem Postamt. Schnell entscheiden wir uns für die Weiterfahrt. 

Durch Draculas Berge fahren wir auf besten Straßen unserem Tagesziel Rucov entgegen. Da der Nachmittag noch jung ist, entschieden wir uns für einen kleinen Umweg durch die Wälder. An einem zufällig gewählten Stopp sehen wir ein Hinweisschild für einen Campingplatz. Kurzerhand entschließen wir uns, hier zu nächtigen. Mit Hilfe des 10 jährigen Sohnes der Zeltplatzchefin können wir in Deutsch verhandeln. Was nicht klar ist, läuft in Englisch oder Zeichensprache. 20Lei (5€) fordert sie von uns Vieren ein. 

Da noch nicht mal 200km auf dem Tacho stehen, starten wir noch eine zu einer Riemrunde ohne Gepäck. Micha will unbedingt die Berge ringsum erkunden, Uwe ist gern dabei und ich bin eh nur mit. Matthias fügt sich ebenfalls, aber etwas widerwillig der Mehrheit. Unser unermüdlicher Fahrwille wird sofort mit einem wunderschönen, felsigen und kurvigen Tal belohnt. Dort wo keine Felsen sind, arbeiten die Bauern auf dem Feld. Sie unterbrechen für einen kurzen Moment das Einbringen der Heuernte und folgen uns mit ihren Köpfen und Gedanken.

Nach diesen schönen Eindrücken fahren wir in einem Dorf in eine kleine Seitenstraße ein. Was ich hier sehen kann, ist alles andere als schön. Es ist eine von Zigeunern bewohnte Straße. Die Leute, welche die sich hier rumtreiben – ich denke mir gleich: „Mach mal lieber dein Visier runter.“ Die „Straße“ endet am Fuße eines Berges den Micha erkunden will. Der letzte Bauernhof hat zu allem Überfluss noch einen bösartigen Hund. Er rennt auf Micha und mich böse blickend und laut bellend zu. Für mich gibt es nur eine Reaktion, Gas und weg! Micha bleibt stehen!!? Auf Nachfrage erfahre ich dann, dass er seine GS abgewürgt hatte. Da ich mich durch den Hundekick nun an die erste Stelle gesetzt habe, kann ich in voller Fahrt den Berg bezwingen. Immer schwerer wird die Auffahrt. An geeigneter Stelle warte ich auf den Rest der Truppe. Hat der Hund einen Reifen zerbissen? Und was macht Uwe mit der CBF an diesem Berg? Alle kommen gut hoch und wollen noch etwas mehr. Ein paar 100 Meter später warten tiefe Schlammlöcher auf uns. Matthias passiert ohne Probleme. Ich wartete noch einmal auf den Rest der Truppe. Nun ergibt sich folgendes Bild: Matthias auf der einen Seite, Uwe, Micha und ich auf der anderen Seite der Schlammlöcher. Nach kurzer Beratung beschließe ich, Uwe eine Vorführung über eine Durchfahrt eines Loches zu geben. Das dies nicht besonders clever ist, steht schon vor Ort fest. Ich will es aber unbedingt testen. Gut durchs Schlammloch geschlittert stehe ich nun mit bei Matthias. Auf der anderen Seite ist die Gestik klar. Von den beiden wird keiner folgen. Wir kehren also um und fahren wieder an „Bello“ vorbei. Ich werfe einen vorsichtigen Blick in seiner Hütte- Er ist nicht da. Wahrscheinlich frisst er gerade eine Katze. Bloß weg hier!

Auf dem Weg zu unserem Zeltplatz passieren wir noch ein paar Kehren auf feinstem Asphalt. Bei einem kurzen Stopp an einer Aussichtsplattform kauft Uwe noch etwas landestypischen Käse bei einem Mütterchen. Wahrscheinlich aus Hobbygründen drückt er den Preis von 16 auf 12 Lei. Ich habe noch mal genau hingesehen, ein kleines Lächeln ist unter der Ledernen Haut des Mütterchens trotzdem zu erkennen.

Auf dem Zeltplatz angekommen besorge ich im Spätverkauf erst mal Bier für alle. Danach geht es in vorher besprochener Aufteilung voran. Micha und Uwe kümmern sich um unser Abendbrot: Nudeln, Letscho und gebratene Würstchen. Matthias erledigt mit mir den Zeltaufbau. 

Nach einem leckeren Abendessen macht sich Micha auf den Weg zum Duschen. Er kommt unverrichteter Dinge zurück. Die nette Zeltplatzchefin vom Nachmittag hat ein ganzes Stück Ihrer Nettigkeit verloren. Ihrer Meinung nach soll das Außenwaschbecken und das Standklo für uns reichen! Micha schickt mich zur zweiten Verhandlungsrunde. Nachdem ich vier Bier aus dem Kühlschrank entnehme und bezahle, lasse ich aus taktischen Gründen 5 Lei auf dem Tisch liegen. Nun beginne ich in feinster Zeichensprache ihr mein Anliegen zu einer vernünftigen Dusche  schildern. Widerwillig und mit den Augen auf dem Geld dürfen wir schließlich ihr privates Bad benutzen. „Wer gut schmiert, der gut fährt“ heißt es doch immer. Dieses Sprichwort im Ohr mache ich mich gleich noch an die Kettenpflege meiner GS. Die Kette hat schon ziemlich gelitten, Schlamm und Staub sind nicht gerade förderlich für ein langes Kettenleben. Beim schmieren fällt mir Uwes Hinterrad auf. Auf der einen Seite ist schon kein Profil mehr vorhanden! Mit etwas Bier im Kopf sehen wir die Sache aber eher entspannt.  

Ein, zweimal gehen wir noch Getränke im Spätverkauf ordern, dann haben alle die nötige Bettschwere erreicht.