08_Freitag

Am letzten Morgen unserer Karpatentour bauen wir nur noch ein einziges Zelt ab. Matthias hat freiwillig, aus Abenteuerlust, oder auch wegen Lustlosigkeit zum Zeltaufbau unter freiem Himmel geschlafen. Die Nacht war für ihn nicht sonderlich erholsam. Hunde kämpften lautstark in der Nachbarschaft und die Hauskatze des Zeltwartes sah im Licht der Stirnlampe auch sehr skurril aus. Einzig und allein Ohropax brachten die Ruhe für einen seligen Schlaf. Wahrscheinlich hat er dadurch die einzige Möglichkeit verpasst, einen Bären bei der Nahrungssuche zu beobachten. Meine Nacht war dagegen wenig spektakulär. Ich wache von allein auf, obwohl der Morgen nicht so drückend warm ist. Die Sonne kämpft noch mit dem letzten Berg, um uns später wieder ordentlich einzuheizen. Beim Blick über das Gelände sehe ich, dass Uwe schon das Frühstück vorbereitet hat. Der Dampf des Kaffeewassers verbindet sich eindrucksvoll mit den ersten Sonnenstrahlen, welche sich langsam über den Karpaten erheben. Ein toller Morgen.

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Bei diesen perfekten Bedingungen schmeckt unser Frühstück mit reichlich Nutella und Wurst vorzüglich. Während wir unseren Kaffee genießen, fassen wir den Entschluss, den Zeltplatz vor 10Uhr zu verlassen.   

Nach dem Zeltabbau kümmere ich mich um die Finanzierung der letzten Nacht. Ich nehme gleich noch mal meinen Fotoapparat mit, da ich das eingemauerte Wohnmobil unbedingt noch auf meine Speicherkarte bannen möchte. Der Zeltplatzchef erwischt mich beim fotografieren und gibt mir ohne zu Fragen einen geschichtlichen Abriss über seine Anreise vor mehr als 10 Jahren. Er zeigt mir gern die Inneneinrichtung und zieht dann noch das ein oder andere Fotoalbum aus der Versenkung.

Im Jahr 2000 war er mit dem Koloss von Deutschland nach Rumänien gefahren. Die nächste Geschichte des Zeltplatzchefs handelt über die Müllentsorgung in Rumänien. Hier wird Müll nicht getrennt. Mit etwas Glück kommt jede Woche das Müllauto, nimmt den Müll mit und kippt ihn anschließend in eine Schlucht. Wenn diese dann voll ist, wird etwas Erde darauf gekippt. Müllverbrennungsanlagen oder etwas ähnliches gibt es nicht in Rumänien. Müll ist wirklich ein großes Problem, an jedem Bergsee oder Fluss sammeln sich Autoreifen und Plasteflaschen. Die Rumänen haben da eine andere Sicht der Dinge: „Hauptsache es geht irgendwie, mehr muss nicht sein“. 

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Die Geschichten gehen vom Hundertsten ins Tausendste. Langsam aber sicher müssen wir aber los! Ich würge das Gespräch etwas ab und frage nach etwas Mineralwasser für unsere Weiterfahrt. 

Los geht es kurz vor 10Uhr durch ein romantisches Flusstal. Da wir gestern nicht getankt haben, sind die Maschinen auf eine baldige Tankstelle angewiesen. Der erste Teil unserer Tagesetappe besteht mal wieder aus Schotter und führt uns durch kleinste Dörfer hindurch. Hier eine Tankstelle zu erwarten, wäre schon ziemlich naiv. 

Matthias und Uwe melden Spritmangel, bei Uwe leuchtet auch schon die gelbe Reservelampe. Mit dem größten Tank in der Runde sehe ich die Spritproblematik eher entspannt. Ich überlege mir schon den ein oder anderen Plan, wie ich etwas von meinem Benzin spenden könnte. Matthias und Uwe bleibt nur das Prinzip Hoffnung. Der Gashahn wird nur noch behutsam betätigt, um jeden Tropfen Benzin mit Bedacht durch die Vergaser laufen zu lassen. Schwitzend aus Angst und vor Hitze erreichen wir die ersehnte Tankstelle. Am Ende ist sogar noch Sprit für ca. 30km in den beiden Tanks. Etwas erstaunt über unsere sparsamen Motorräder trinken wir noch etwas eiskaltes Wasser, putzen die Visiere und fahren dann schnell weiter.  

Ein kleines Stück noch auf einer perfekt ausgebauten Bundesstraße, um dann wieder auf die bekannten rumänischen „Straßen“ abzubiegen. Später wählen wir ein kleines typisches Dorf für unsere Mittagsrast. Im Örtlichen Tante Emma Laden suchen wir uns Speisen und Getränke aus. Wie wir wissen, sind unsere Lei knapp. Da eine Bezahlung mit Euro sonst nie ein Problem ist, machen wir uns darüber auch keine weiteren Gedanken. Als ich den Kohlenhydrathaufen bezahlen will, lehnt die nette ältere Verkäuferin meine Euro ab. Mein Verhandlungsgeschick reicht auch nicht, um sie für meine Devisen zu begeistern. Am Ende lasse ich die gute Frau in „Konsum- Rentnerart“ meine letzten LEI aus dem Portmonee ziehen. Fast den ganzen Einkauf  müssen wir zurück gehen lassen, nur eine kleine Apfeltasche bleibt am Ende übrig! Wir teilen uns den Einkauf brüderlich und trinken statt kalter Cola unser warmes Wasser. Es ist eh wieder unheimlich heiß und so stillt die kleine Apfeltasche zusammen mit ein paar Waffelreserven unseren Hunger. Kurz vor der Weiterfahrt kommt ein großer glatzköpfiger junger Mann auf uns zu. Er sieht aus wie der örtliche Drogenhändler und fragt, ob wir Euro in Lei tauschen wollen. Wir lehnen aus Trotz und Sättigungsgefühl dankend ab. 

Vor dem Geschäft sitzen ein paar Rumänen beim Mittagstalk. Uwe fragt noch schnell, um sich  Bestätigung zu holen, nach dem Weg. Die Richtung, in die Uwe zeigt, ist eine andere als die der Rumänen. Etwas verwundert lässt er sich überzeugen und wir wählen mit dem neuen Weg auch den richtigen. 

An einer der nächsten Kreuzungen schweift mein Blick über Uwes Hinterrad. Ein Schreck durchfährt mich!

Der Gummi ist an einigen Stellen durchgefahren und ich kann schon das Gewebe sehen. 80km sind noch vor uns. In einem kurzen Krisengespräch beschließen wir, bis Satu Mare im Schleichgang zu fahren. Zu unserem Glück sind diese 80km nur gut ausgebaute Landstraße. Weitere Steinpisten würden mit Sicherheit ein „Lautes Ende“ für Uwes Hinterreifen bedeuten.

Nur  was passiert, wenn drei Motorräder mit maximal 60km/h auf einer Landstraße unterwegs sind? In Deutschland ist dies schon bedenklich, in Rumänien ist es einen ganzen Zacken schärfer! Mit Warnblinkanlage und Fahren an der Straßenmitte mache ich unseren langsamem Konvoi so breit wie möglich. An geeigneten Stellen lasse ich dann regelmäßig die angestauten Autos überholen.  Die geringe Verkehrsdichte ist dabei ein Segen.

Glücklich erblicke ich nach diesem anstrengenden Fahren das Ortseingangsschild von Satu Mare. Uwes Reifen ist noch funktionstüchtig, Glück gehabt. Mit dem Erreichen der Stadt fällt eine große Last von unseren Schultern. Nun kann man sich endlich etwas gehen lassen und vor Hitze stöhnen. Hier muss doch gleich unser Transporter stehen! Nur wo? Satu Mare ist eine riesige Stadt und wir verlieren uns hoffnungslos bei bis zu 37Crad im Großstadtgewühl. Über eine Stunde verbringen wir mit unserem „Sightseeing“. Wirkliche Hilfen zum Finden unseres Hotels gibt es lange Zeit nicht. Die Frage nach dem Weg ergibt immer dasselbe Ergebnis. Man ist kurz glücklich, gleich da zu sein, um zwei Minuten später zu merken, dass es auch diesmal wieder eine falsche Beschreibung war. Die Odyssee findet erst ein Ende, als Uwe eine Fahrschule nach dem Weg fragt. Der Fahrlehrer erklärt sich bereit, uns zu führen. Seine Fahrschülerin darf fahren. Irgendwie hat er den Hotelnamen nicht richtig verstanden und so führt er uns zum falschen Hotel. Noch mal erklärt Uwe mit Zeigen auf seine Karte und mit „allen“ Gliedmaßen unser Anliegen. Wir starten erneut und erreichen kurz danach endlich unser Hotel. Das Beste ist, der Transporter steht noch da wie am ersten Tag, natürlich inklusive der Schramme. Nach einer Stunde Stadt und davor zwei Stunden Bummelfahrt auf der Landstraße bin ich mit meiner Energie am Ende. So schnell ich nur kann, entledige ich mich meiner Motorradsachen. Endlich in einer kurzen Hose setze ich mich erst mal ein paar Minuten hin. Mit etwas zittrigen Händen zische ich in Rekordzeit einen Liter kaltes Wasser weg.   

Das Aufladen der Motorräder geht schnell und ruhig von der Hand.

Fast schon Routine. Aber die Hitze, schlimm. Nach dem Aufladen dürfen wir im Hotel nochmal duschen. Dies verbessert wesentlich unser Körperklima und natürlich auch das Raumklima in der Transporterkabine. Die Laune ist gut, als wir den Hof des Hotels verlassen. 7 aufregende Tage haben wir gemeinsam hinter uns gebracht. Nun wieder gemeinsam im Auto zu sitzen, ist ein gutes Gefühl. Das ein oder andere Verfahren in Rumänien lässt sich im klimatisierten Transporter leicht ertragen. In einem Dorf marschiert mal wieder eine ganze Kuhherde über die Straße. 

Eine Woche Motorrad fahren- das bedeutet auch, sich alle Fahrerlebnisse zu merken, um sie dann bei der nächsten Rast auszutauschen. Jetzt hier gleich über eine Kuhherde reden zu können, ist schon die erste Stufe von wieder gewonnenem Luxus.

Nach und nach wird es still im Auto. Nach 13 Stunden erreichen wir inklusive einiger Fahrerwechsel Leipzig. Wir laden zwei Motorräder ab. Uwe erklärt sich bereit, den Transporter allein nach Berlin zu fahren. Ich stelle dafür gern mein Motorrad zur Verfügung. 

Als Uwe Stunden später mein Motorrad zu mir bringt, fehlt eigentlich nur die Kaution zum perfekten Urlaubsende.